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Schöne Scheine

Schöne Scheine

Titel: Schöne Scheine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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wollen wir jetzt zum Direktor gehen.«
    Feucht folgte Beuges ruckartigen Schritten zwei Marmortreppen hinauf und einen Korridor entlang. Sie blieben vor einer Flügeltür aus dunklem Holz stehen, und Herr Beuge klopfte an, aber nicht einmal, sondern mit einer unregelmäßigen Abfolge, die auf einen Code hindeutete. Dann drückte er ganz vorsichtig die Tür auf.
    Das Büro des Direktors war groß und sehr einfach, aber mit sehr teuren Dingen eingerichtet. Überall war Bronze und Messing. Wahrscheinlich war der letzte Baum einer seltenen, exotischen Spezies gefällt worden, um daraus den Schreibtisch des Direktors zu zimmern. Er war ein Objekt der Begierde und groß genug, um Leute darin zu bestatten. Er schimmerte in sehr tiefem Grün und vermittelte den Eindruck von Macht und Redlichkeit. Feucht ging selbstverständlich davon aus, dass das nicht der Wahrheit entsprach.
    Ein sehr kleiner Hund hockte in einem Ablagekorb aus Messing, doch erst als Herr Beuge »Herr Lipwig, die Frau Direktor« sagte, erkannte Feucht, dass auch ein weibliches Wesen am Schreibtisch saß. Der Kopf einer sehr kleinen, sehr alten grauhaarigen Frau lugte über die Tischplatte zu ihm hinüber. Links und rechts von ihr waren - in silbrig glänzendem Stahl statt in Goldfarben, die ansonsten diese Welt dominierten - zwei geladene Armbrüste montiert, die sich auf kleinen Stativen schwenken ließen. Die dürren kleinen Hände der Dame zogen sich gerade von den Schäften der Waffen zurück.
    »Ach ja, wie nett«, flötete sie. »Ich bin Frau Üppig. Nimm doch Platz, Herr Lipwig.«
    Das tat er, so weit außerhalb des Schussfeldes der Armbrüste wie möglich, und der Hund sprang mit einer stürmischen Begeisterung, die Feuchts empfindlicheren Körperteilen gar nicht gut bekam, vom Schreibtisch auf seinen Schoß.
    Es war der kleinste und hässlichste Hund, den Feucht jemals zu Gesicht bekommen hatte. Er erinnerte ihn an diese Goldfische mit den riesigen hervortretenden Augen, die den Eindruck erwecken, dass sie jeden Moment explodieren können. Die Nase hingegen wirkte eingedrückt. Der Hund fiepte, und seine Beine waren so krumm, dass er bestimmt immer wieder über die eigenen Pfoten stolperte.
    »Das ist Herr Quengler«, sagte die alte Frau. »Normalerweise reagiert er nicht sehr freundlich auf andere Personen, Herr Lipwig. Ich bin beeindruckt.«
    »Hallo, Herr Quengler«, sagte Feucht. Der Hund stieß ein schwaches Kläffen aus, und dann liebkoste er Feuchts Gesicht mit einer großzügigen Portion Hundesabber.
    »Er  mag  dich, Herr Lipwig«, sagte Frau Üppig anerkennend. »Errätst du, zu welcher Rasse er gehört?«
    Feucht war mit Hunden aufgewachsen und kannte sich recht gut mit Rassen aus, aber im Fall von Herrn Quengler wusste er nicht, wo er ansetzen sollte. Also versuchte er es mit Ehrlichkeit. »Alle auf einmal?«
    Frau Üppig lachte, und dieses Lachen klang mindestens sechzig Jahre jünger, als sie war.
    »Völlig richtig! Seine Mutter war ein Löfflerhund, eine sehr beliebte Rasse in den königlichen Palästen der alten Zeiten. Aber eines Nachts riss sie aus, und es gab draußen schrecklich viel Gebell, sodass ich befürchte, Herr Quengler, der Ärmste, ist der Sohn vieler Väter.«
    Herr Quengler sah Feucht mit zwei seelenvollen Augen an, und dann wurde sein Gesichtsausdruck allmählich etwas angestrengter.
    »Beuge, Herr Quengler scheint sich unbehaglich zu fühlen«, sagte Frau Üppig. »Bitte nimm ihn doch auf einen kleinen Spaziergang durch den Garten mit, ja? Ich glaube, die jungen Angestellten lassen ihm einfach nicht ausreichend Zeit.«
    Für einen Moment zog eine schwere Gewitterwolke über die Miene des Hauptkassierers, doch dann nahm er gehorsam eine rote Leine von einem Haken an der Wand.
    Der kleine Hund begann zu knurren.
    Außerdem nahm Beuge zwei schwere Lederhandschuhe an sich und zog sie sich über. Während das Knurren immer lauter wurde, hob er den Hund mit großer Vorsicht auf und klemmte ihn sich unter den Arm. Ohne ein weiteres Wort verließ er das Zimmer.
    »Du  bist also der berühmte Postminister«, sagte Frau Üppig. » Kein Geringerer als der Mann im goldenen Anzug. Aber nicht an diesem Morgen, wie ich sehe. Komm zu mir, mein lieber Junge. Ich will dich im Licht betrachten.«
    Feucht näherte sich, und die alte Dame stand unbeholfen auf, wobei sie sich zweier Gehstöcke mit Griffen aus Elfenbein bediente. Dann ließ sie einen fallen und griff nach Feuchts Kinn. Sie starrte ihn konzentriert an und drehte

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