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Schöne Scheine

Schöne Scheine

Titel: Schöne Scheine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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verkündete Stanley.
    »Aber ich habe doch gerade erst den Drohb...«, begann Feucht, doch dann entspannte er sich wieder. »Ein Anwalt? Hat er gesagt, weswegen?«
    »Er sprach von einer sehr wichtigen Angelegenheit, Herr. Bei ihm sind zwei Wächter. Und ein Hund.«
    »Wirklich?«, sagte Feucht ruhig. »Gut, dann solltest du sie vielleicht zu mir führen.«
    Er blickte auf die Uhr.
    Also ... gut... Gar nicht gut!
    Der Lancre-Express würde in fünfundvierzig Sekunden abfahren. Er wusste, dass er in elf Sekunden die verdammte Regenrinne hinuntergeklettert sein konnte. Stanley war auf dem Weg nach unten, um sie hinaufzuführen, was vielleicht dreißig Sekunden dauerte. Hauptsache, sie hielten sich nicht mehr im Erdgeschoss auf. Hinten auf die Kutsche klettern und wieder abspringen, wenn sie am Mittwärtigen Tor langsamer wurde, sich den Blechkasten schnappen, die er in den Balken des alten Stalls am Hohen Schlag versteckt hatte, sich umziehen und seinen Gesichtsausdruck anpassen, durch die Stadt schlendern und einen Kaffee in diesem Laden in der Nähe des Hauptwachhauses trinken, eine Zeit lang das Treiben der Klacker im Auge behalten, dann zum Henne-und-Küken-Feld hinüberspazieren, wo er eine weitere Kiste bei Ich-weiß-nichts-Jack deponiert hatte, sich umziehen, mit der kleinen Tasche und seiner Tweedmütze aufbrechen (die er in irgendeiner Gasse gegen die alte braune Melone in der Tasche austauschen würde, nur für den Fall, dass Jack plötzlich sein Gedächtnis wiederfand, was mit einer größeren Geldsumme als Anreiz durchaus geschehen mochte), dann würde er sich zum Schlachthausviertel hinunterschleichen, die Rolle von Jeff dem Viehtreiber annehmen und in der riesigen stinkenden Bar namens »Schlachtadler« abhängen, wo die Viehtreiber traditionell den Straßenstaub hinunterspülten. Neuerdings gab es einen Vampir in der Wache und schon seit Jahren außerdem einen Werwolf. Sollten diese grandiosen feinen Nasen doch den gut durchgerührten Cocktail aus Gestank nach Dung, Angst, Schweiß, Abfall und Urin aufnehmen! Mal sehen, wie er ihnen schmeckte! Und das betraf lediglich die Bar - in den Schlachthäusern war es noch viel schlimmer.
    Dann würde er vielleicht bis zum Abend warten, um eine Mitfahrgelegenheit auf den dampfenden Dungkarren zu nutzen, die die Stadt verließen, zusammen mit den anderen betrunkenen Viehtreibern. Die Torwachen machten sich nie die Mühe, diese Fuhren zu überprüfen. Falls sein sechster Sinn sich dann immer noch melden sollte, würde er mit irgendeinem Betrunkenen das Fingerhutspiel durchziehen, bis er genug zusammen hatte, um sich eine Flasche Parfüm und einen billigen, aber ansehnlichen Anzug aus dritter Hand bei einem Trödler zu kaufen, sich anschließend zu Frau Eucrasia Arkanums  Pension für respektable arbeitende Leute  begeben, wo er mit Hut und Drahtbrille Herr Unbefug Schlüpf-hahn sein würde, ein Wollhändler, der immer dort übernachtete, wenn seine Geschäfte ihn in die Stadt führten, und der jedes Mal ein kleines Geschenk mitbrachte, das für eine Witwe ihres Alters angemessen war - zumindest des Alters, in dem sie zu sein vorgab. Ja, das war die bessere Idee. Bei Frau Arkanum war das Essen gehaltvoll, die Betten waren gut, und sie mussten selten mit jemandem geteilt werden.
    Dann konnte er konkretere Pläne schmieden.
    Diese Ausweichroute spulte sich blitzschnell vor seinem inneren Auge ab. Der Blick seiner äußeren Augen fiel auf etwas weniger Angenehmes. Auf dem Hof befand sich ein Polizist, der mit einigen Kutschern sprach. Feucht erkannte Feldwebel Fred Colon, dessen Hauptaufgabe darin zu bestehen schien, durch die Stadt zu schlendern und mit Männern von gleichem Alter und Auftreten wie er selbst zu plaudern.
    Der Wächter entdeckte Feucht am Fenster und winkte ihm zu.
    Nein, alles wurde viel zu kompliziert und chaotisch, wenn er wegrannte. Er würde sich hier oben aus der Sache rausreden müssen. Schließlich hatte er, wenn man es genau nahm, gar nichts Falsches getan. Der Brief hatte ihn aus dem Gleichgewicht gebracht, das war alles.
    Feucht saß an seinem Schreibtisch und machte einen beschäftigten Eindruck, als Stanley zurückkehrte und Herrn Schräg herein führte, den bekanntesten und - mit 351 Jahren - wahrscheinlich auch ältesten Rechtsanwalt der Stadt. Er wurde begleitet von Feldwebel Angua und Korporal Nobbs, von dem Gerüchte behaupteten, dass er der geheime Werwolf der Wache war. Korporal Nobbs führte einen großen Weidenkorb mit sich, und

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