Schöne Scheine
vorzüglichen kriminellen Verstand.«
»Etwas Ähnliches hast du schon einmal gesagt, Herr«, erwiderte der Sekretär, als er die Kutschentür aufhielt, »aber wie es scheint, hat seine Ehrlichkeit nun die Oberhand gewonnen.«
Vetinari zögerte, nachdem er bereits einen Fuß auf das Trittbrett gestellt hatte. »In der Tat, Drumknott, aber der Umstand, dass er dir schon wieder den Schreibstift gestohlen hat, macht mir Hoffnung.«
»Das hat er nicht, Herr, denn diesmal habe ich darauf geachtet, ihn wieder in meine Tasche zu stecken!«, erwiderte Drumknott triumphierend.
»Ja«, sagte Vetinari fröhlich und ließ sich auf die knarrenden Ledersitze sinken, während Drumknott mit zunehmender Verzweiflung seine Taschen abklopfte. »Ich weiß.«
In der Nacht hielten sich Wachen in der Bank auf. Sie liefen entspannt ihre Runden in den Korridoren, pfiffen leise vor sich hin und beruhigten sich mit der Gewissheit, dass die Bösewichter durch die allerbesten Schlösser draußen gehalten wurden. Außerdem war das gesamte Erdgeschoss mit Marmor gefliest, auf dem in den langen, stillen Stunden der Nacht jeder Schritt wie ein Donnerschlag hallte. Manche Wächter dösten im Stehen mit halb geöffneten Augen.
Aber jemand ignorierte die Schlösser aus Eisen, überwand die Riegel aus Messing, schritt lautlos über die Bodenfliesen und spazierte vor der Nase der dösenden Männer entlang. Doch als die Gestalt durch die großen Türflügel in das Büro der Direktorin trat, sausten zwei Armbrustbolzen durch sie hindurch und ließen das schöne Holz der Tür zersplittern.
»Na gut, du kannst es mir nicht verübeln, dass ich es versucht habe«, sagte Frau Üppig.
ICH BIN ES GEWOHNT, NICHT AUF DIE FREUNDLICHSTE WEISE BEGRÜSST ZU WERDEN, FRAU TÜPPI ÜPPIG, sagte Tod.
»Du sprichst mir aus der Seele!«, seufzte Tüppi. »Aber was rede ich? Mit Seelen kennst du dich ja aus.«
DER TAG DER ABRECHNUNG IST GEKOMMEN, FRAU ÜPPIG. DAS GESCHÄFTSBUCH WIRD GESCHLOSSEN.
»Drückst du dich bei solchen Gelegenheiten immer mit Anspielungen aus dem Bankwesen aus?«, sagte Tüppi und stand auf. Jemand anderer blieb erschlafft im Sessel zurück, aber es war nicht mehr Frau Üppig.
ICHVERSUCHEMICHAUFDIESITUATIONEINZUSTELLEN , FRAUÜPPIG .
»Vom >Bilanzabschluss< zu sprechen, würde auch nicht schlecht klingen.«
VIELEN DANK. DAS WERDE ICH MIR MERKEN. WENN DU MIR JETZT BITTE FOLGEN WÜRDEST...
»Offenbar habe ich mein Testament gerade noch rechtzeitig gemacht«, sagte Tüppi und öffnete ihr weißes Haar.
ES ISTIMMERGUT , WENNMANSEINENACHKOMMENSCHAFTVERSORGTWEISS , FRAUÜPPIG .
»Meine Nachkommenschaft? Die Üppigs können mir mal den Hintern abknutschen, Herr! Ich habe es ihnen heimgezahlt! Und was kommt jetzt, Gevatter Tod?«
JETZT ?, SAGTE T OD. MAN KÖNNTE ES SO AUSDRÜCKEN, DASS JETZT DIE BUCHPRÜFUNG KOMMT .
»Oh! Es gibt tatsächlich eine? Na gut, es gibt nichts, wofür ich mich schämen müsste.«
NURDASZÄHLT .
»Gut so«, sagte Tüppi.
Sie nahm Tods Arm und folgte ihm durch die Tür und weiter in die schwarze Wüste unter der endlosen Nacht.
Nach einiger Zeit setzte sich Herr Quengler auf und begann zu winseln.
Am nächsten Morgen stand in der Times ein kleiner Artikel über die Lage der Banken. Darin kam ziemlich häufig das Wort »Krise« vor.
Ach, dachte Feucht, als er den vierten Absatz las, da kommt es. Beziehungsweise, da komme ich.
»Lord Vetinari vertraute der Times an: >Es ist wahr, dass ich mit Erlaubnis der Bankdirektorin ein Gespräch mit dem Postminister geführt habe. Darin ging es um die Möglichkeit, dass er der Königlichen Bank in diesen schwierigen Zeiten zur Seite steht. Er hat abgelehnt, und damit ist die Sache für mich erledigt. Die Regierung ist nicht dafür zuständig, Banken zu führen. Die Zukunft der Königlichen Bank von Ankh-Morpork liegt allein in den Händen ihrer Direktoren und Anteilseignern«
Und der Götter, dachte Feucht.
Er stürzte sich voller Eifer auf den Eingangskorb. Er widmete sich ganz seiner Arbeit, überprüfte Zahlen, korrigierte Schreibfehler und summte vor sich hin, um die innere Stimme der Versuchung zu übertönen.
Es wurde Mittag, und Gladys kam mit einem Teller, auf dem dreißig Zentimeter breite Käsesandwiches lagen sowie ein Exemplar der Mittagsausgabe der Times.
Frau Üppig war vergangene Nacht verstorben. Feucht starrte auf die Meldung. Es hieß, dass sie nach langer Krankheit still im Schlaf dahingeschieden war.
Er ließ die Zeitung fallen und
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