Schöne Zeit der jungen Liebe
sich zwischen den Gardinen hindurchdrängten. Aber draußen flogen jetzt die Schwalben, sangen Lerchen, und mitten in all der Fröhlichkeit war Gaylord, ihr Junge, zwischen glitzernden Wellen und blauem Himmel, sorglose Ferientage vor sich, das ganze Leben, Süße und Schmerz der Liebe, Kampf und Erfolg, die stillen Freuden des Alltags - all das hatte er vor sich. Nein. Sie beneidete ihn nicht. May Pentecost beneidete niemanden. Aber an diesem Morgen, nur eine Stunde lang, wäre sie gern noch einmal siebzehn gewesen.
Plötzlich ein Getöse - ein Heulen, das von unten heraufdrang, von heftigen Stößen unterbrochen. Jocelyn hob den Kopf einen Fingerbreit vom Kopfkissen.
»Was ist das?«
»Miß Haldt mit dem Staubsauger.«
Er ließ sich zurückfallen. »Ich dachte, es wär die Concorde.« Und schon schlief er wieder.
May, noch wacher als vorher, saß da, die Hände um die Knie geschlungen, und dachte, nicht ganz ohne Schadenfreude: Wart’s nur ab!
Es dauerte nicht lange. Oben wurde eine Tür aufgerissen, jemand stampfte die Treppe hinunter. Dann der entrüstete Ausruf eines alten Mannes, der ohne Rücksicht und Bedenken um halb sieben Uhr morgens aus dem Schlaf aufgeschreckt worden war. »Liebling«, murmelte May ihrem schlafenden Mann ins Ohr, »noch ein schwerer Schlag für die englisch-deutschen Beziehungen!« Jocelyn antwortete nicht. Zufrieden seufzend kroch May unter die Decke und sank in Schlaf.
John Pentecost riß die Wohnzimmertür auf. »May, was fällt dir ein - oh, Entschuldigung, ich wußte nicht, daß Sie es waren.«
Christine blickte erschrocken drein. Den Zorn des alten Pentecost zu erregen, das war gewiß der sicherste Weg, um schnell nach Hause geschickt zu werden. Sie fragte: »Sie möchten nicht, daß ich Staub sauge?«
Opa sah den bestürzten Blick und war sogleich voll Reue. »Nein, nein, Kindchen, es ist nur - wissen Sie, in meinem Alter schläft man nicht sehr gut, und wenn man dann einmal eingeschlafen ist ...« Tatsächlich schlief Opa ein, sobald sein Kopf auf dem Kissen lag, und wachte erst wieder auf, wenn Jocelyn morgens mit dem Tee erschien.
»Ich wollte Ihnen Tee bringen«, sagte Christine, »aber Mrs. Pentecost hat gesagt, es ist noch zu früh. Deshalb habe ich mit dem Staubsaugen angefangen.«
»Sehr richtig, mein Kind. Sehr nützlich.«
»Den hab ich mir extra angezogen für Sie!« Sie zeigte auf ihren Pullover. »Sie finden mich doch anständig, nicht wahr? «
»Sehr anständig«, sagte der alte Pentecost etwas verunsichert. Er war es nicht gewohnt, daß ihm die Unterhaltung auf solche Weise aus der Hand genommen wurde.
»Mein Opa interessiert sich sehr für Wildfütterung und Jagd. Sie haben hier wohl kein Wild?« fragte sie mitfühlend.
»Leider nicht«, sagte Opa bedauernd.
»Es ist gut, wenn man viel Wild hat. Dann geht man auf die Jagd und kriecht den ganzen Tag in den Bergen auf dem Bauch herum. Das macht furchtbar müde, und dann kann man nachts gut schlafen.« Sie lachte fröhlich. »Dann macht es Ihnen nichts aus, wenn das Au-pair-Mädchen schon früh am Morgen mit Staubsaugen anfängt.«
»Sie sind aber nicht das Au-pair-Mädchen«, berichtigte John Pentecost. Auf solche Schliche fiel er nicht herein.
Sie ließ den Kopf hängen. »Aber Sie sind der Opa. Wenn Sie sagen: Christine muß bleiben, dann darf ich bleiben. Ein Wort von Opa ist wie Gottes Wort.«
»Mein liebes Kind, Sie kennen meine Schwiegertochter nicht. Mrs. Pentecost ist eine prächtige Frau, aber kommen Sie ihr nicht mit Gottes Wort! Und außerdem - ich sage es nicht gern, aber Ehrlichkeit muß sein - liegt auch mir nichts daran, ein Au-pair-Mädchen im Haus zu haben.«
»Nein? Auch nicht, wenn ich verspreche, daß ich nie wieder vor acht mit dem Tee komme oder vor neun mit dem Staubsaugen anfange?«
»Nein. Auch dann nicht.«
Christine sagte nichts mehr. Ohne ihn noch einmal anzusehen, ging sie mit gesenktem Kopf aus dem Zimmer, schleppte sich - ein Häufchen Elend - die Treppe hinauf, warf ihre Sachen in den Koffer, sammelte ihre Skiausrüstung ein und ging hinüber zu Mrs. Pentecost.
May erwachte vom Klappern der Skier und der Skistöcke draußen im Flur. Sie sah auf ihre Uhr: zehn Minuten nach sieben. Sie ging an die Tür, um zu sehen, was da draußen los war.
Vor ihr stand Christine, traurig und verloren, die Skistiefel um den Hals gehängt, in den Händen den Koffer und den Reisesack.
»Aber, Christine - was ist denn los, Kind?« fragte May.
»Der Opa hat gesagt, ich
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