Schöne Zeit der jungen Liebe
Unterricht bekommt.«
»Aber, May, wo soll sie denn hier englischen Unterricht nehmen? Vielleicht in Shepherd’s Warning?«
»Oh, da darfst du mich nicht fragen. Bei mir kann sie kochen lernen, Yorkshire-Pudding und so. Du mußt eben... du, sag mal, warum fragst du nicht einfach Miß Ferris?« Das war ein herzloser Vorschlag. Miß Ferris war eine pensionierte Lehrerin aus Jocelyns Schulzeit, die jetzt in Shepherd’s Warning wohnte -wenn Jocelyn sie nur von weitem sah, machte er sich schleunigst unsichtbar.
»Ich hatte keine Ahnung, daß da so viel zu unternehmen ist«, sagte er. »Ich dachte, sie könnte einfach hierbleiben und uns helfen.«
Sie sah ihn liebevoll an, aber er kam sich dabei trotzdem leicht beschränkt vor.
»Scheint alles ja doch recht schwierig zu sein«, sagte er kleinlaut.
»Dann möchtest du wohl lieber, daß sie nicht bleibt?«
»Ja, ich glaube, das wäre dann doch besser«, sagte er kläglich.
»Na schön, Lieber, wie du meinst. Vielleicht kannst du irgendwann mal mit ihr sprechen und ihr klarmachen, daß sie höchstens bis Freitag bleiben kann. Wie spät ist es eigentlich? Erst fünf nach halb acht? Na, dann werde ich jetzt mal mein Bad nehmen.«
Amanda hatte in ihrem kurzen Leben wiederholt die Erfahrung gemacht, daß die Erwachsenen, sobald etwas Interessantes passierte, sofort die Schotten dichtmachten, damit die Kinder möglichst nichts davon erfuhren. Sie fand das unnötig, unfair und richtig gemein. Aber alles Reden war vergeblich. Wann hörten Erwachsene jemals auf eine Zehnjährige? Und so nahm sie ihre Zuflucht zu anderen Mitteln. Und hatte keine Gewissensbisse, wenn sie heimlich lauschte oder durch Schlüssellöcher spähte. Man mußte sich schließlich informieren.
Ihr Zimmer lag neben dem der Eltern, und da an diesem schönen Morgen alle Fenster weit offenstanden, brauchte sie sich nur ein bißchen hinauszulehnen, um jedes Wort des Gesprächs zu hören. Danach saß sie tief befriedigt auf der Fensterbank. Sie sah sich als Anführerin der Partei, die »Christine raus!« auf ihr Banner geschrieben hatte. Nun war also auch noch Daddy dazugestoßen! Gaylord, der einzige Opponent, war jetzt eindeutig in der Minderheit.
Aber Amanda schätzte die Lage realistisch ein. Daddy war lieb, aber schwach - ein schwankendes Rohr. Auf Mummy kam es an. Man durfte nichts dem Zufall überlassen. Amanda rutschte von der Fensterbank herunter, setzte ihre freundlichste Miene auf und machte sich auf den Weg zu Christine.
Als May aus dem Badezimmer kam, hörte sie ein unerwartetes Geräusch: das schnelle Rattern einer Schreibmaschine. Sie ging in das kleine Zimmer, wo ihre Maschine stand. Da saß Christine, ihre Hände glitten über die Tasten, und Amanda diktierte ihr den Brief, den Jocelyn ihr, May, gestern zum Tippen gegeben hatte. Amanda sah ihre Mutter mit einem strahlenden Lächeln an. »Morgen, Mummy. Du, mir war der Brief eingefallen, den Daddy dir gestern gegeben hat, und wie ich wußte, daß du nicht mehr dran gedacht hast, hab ich Christine gebeten, ihn zu tippen. Sie kann fabelhaft tippen, Mummy, sogar auf englisch!«
May, der plötzlich bewußt wurde, daß sie einen schäbigen alten Bademantel und auf dem Kopf eine häßliche, eng anliegende Badekappe trug und daß sie den Brief tatsächlich vergessen hatte und daß Christine offensichtlich besser maschineschrieb als sie selber, war wütend - wütend auf Christine, auf Amanda und vor allem auf sich selbst.
Christine nahm den Bogen aus der Maschine, sprang auf und gab ihn May. »Sehen Sie sich bitte an, ob so alles in Ordnung ist?«
Der Brief war tadellos. »Sehr schön«, sagte May. »Und eine Kopie haben Sie auch gemacht.«
»Ja, natürlich. So, dann lege ich den Brief auf Mr. Pentecosts Schreibtisch, damit er ihn unterschreibt, ja? Und die Kopie lege ich dann ab.«
»Daddy wird sich bestimmt unheimlich freuen«, sagte Amanda. »Glaubst du nicht auch, Mummy, daß Daddy sich unheimlich freuen wird?«
»Bestimmt«, erwiderte May. Sie ging ins Schlafzimmer und sagte: »Jocelyn, entschuldige, ich hab vergessen, den Brief an den Verlag zu schreiben.«
»Das macht doch nichts, Liebes. Ich weiß ja, du hattest andere Sorgen.«
Sie erwiderte: »Miß Haldt hat ihn geschrieben, gerade eben.«
»Fein. Ist er einigermaßen in Ordnung?«
»Einigermaßen? Er ist tadellos.« Sie schwieg einen Augenblick. Dann sagte sie langsam: »Weißt du, Liebling, ich habe das Gefühl, irgendwie untergräbt diese junge Person meine
Weitere Kostenlose Bücher