Schöne Zeit der jungen Liebe
Flusses. Stromaufwärts wollte er rudern - das war das Schönste: gegen die Strömung, wenn man die ganze Kraft von Armen und Beinen brauchte, wenn die Ufer und Hecken und Bäume langsam vorüberglitten, genauso, wie er es wollte, wenn das Holz protestierend ächzte und die kleinen Wellen ohnmächtig gegen die Bootswand schlugen. Und dann lag er keuchend und erschöpft in dem treibenden Boot, roch das Flußwasser, fühlte die Sonne im Gesicht und auf seinen Beinen, hörte das Wasser plätschern, ließ die Hand ins strömende Wasser hängen und trank mit den Augen das Blau des Himmels...
Das Boot lag quer in einem Stauwasser. Träge nahm er das eine Ruder und brachte das Boot wieder in die Strömung. Seine Gedanken wanderten zurück. Er dachte an seine Heimkehr am letzten Schultag vor den Ferien, als die Familie im Garten saß: Opa, Dad, seine kleine Schwester (so übel war sie gar nicht) und Mum - er hätte es nie laut gesagt, aber sie war wirklich große Klasse. Er lächelte. Ja, und Liz und ihr Vater. Liz war in Ordnung. Ein bißchen überspannt, aber so waren Mädchen eben.
Das Boot trieb weiter, etwas schneller jetzt: Der Fluß spürte schon den Sog des fernen Wehrs. Und plötzlich fiel ihm etwas ein: Christine war nicht überspannt. Ihre Hände waren weich und dufteten. Christine. Als sie ihm in der Frühe den Tee gebracht hatte, war er sich zum erstenmal im Leben plump und schüchtern vorgekommen. Christine. In der Küche hatte sie einfach freundlich und tüchtig und verdammt anziehend ausgesehen. Er hätte sie vielleicht doch mitnehmen sollen... Nein. Als Junge kam man besser allein zurecht. Ein Mädchen war nur ein Mädchen. Trotzdem, Christine hatte ihm sehr gefallen in ihrem blauen Morgenrock...
Die Strömung war jetzt ziemlich stark, und da war auch schon der Landesteg. Er setzte sich auf, ruderte hinüber, vertäute das Boot und machte sich fröhlich auf den Heimweg zum Frühstück. An der Flußbiegung traf er Roger Miles, der gerade vom Baden kam.
»Hallo, Pentecost«, sagte Roger lässig.
»Hallo, Miles-, sagte Gaylord. (Im Ausland hatten sie sich eine Weile mit ihren Vornamen angeredet, aber jetzt in der Heimat machte Roger klar, daß er die Formen zu wahren gedachte.) »Du, erinnerst du dich an das Mädchen, das wir in Deutschland kennengelernt haben?«
»Welches?« fragte Roger. Er hatte mehrere kennengelernt.
»Christine Haldt.«
»Ach so, die. Sehr nettes Mädchen. Was ist mir ihr?«
»Sie ist hier.«
»Hier - wo?«
»Bei uns zu Hause. Als Au-pair-Mädchen für meine Mutter. Bloß daß meine Mutter jetzt kein Au-pair-Mädchen mehr will«, fügte er melancholisch hinzu.
»Großer Gott - ist sie tatsächlich in England? Hier?«
»Ja.« Die Mitteilung hatte offensichtlich tiefen Eindruck auf sein Idol gemacht. Gaylord fühlte sich geschmeichelt.
Sie gingen zusammen weiter. »Dieses Handtuch ist ekelhaft kalt und naß«, sagte Roger.
»Gib’s mir.«
Roger gab es ihm. »Hast du heute morgen irgendwas vor?« fragte er plötzlich.
»Nein, nichts Besonderes, Miles.«
»Dann komme ich später mal vorbei. Falls ich Zeit habe.«
Gaylord traute seinen Ohren nicht. Roger Miles, der Mannschaftskapitän, wollte bei ihm vorbeikommen! Gaylord fühlte das nasse Gras nicht mehr. Er ging auf Wolken.
Sie kamen an die Wegkreuzung, und Gaylord wollte Roger das Handtuch zurückgeben. Aber Roger sagte: »Kannst du es vielleicht irgendwo für mich auf die Leine hängen? Ich nehme es dann mit, wenn ich vorbeikomme. Ich mag keine nassen Handtücher.«
»Klar, natürlich.« Es war Gaylord eine Ehre.
»Also, bis später«, sagte Roger. »Wirklich komisch, daß dieses Mädchen hier ist!«
Jocelyn war noch einmal eingeschlafen, aber May lag hellwach. Gedanken wirbelten ihr im Kopf herum wie Wäsche in einer Waschmaschine. Da war der beunruhigende und doch irgendwie schmeichelnde Gedanke, daß Charles Bunting sie liebte, daß sie ihm heute nachmittag Modell sitzen würde und daß er, der glänzende Porträtmaler, tief in ihr Inneres blicken und das, was er sah, auf der Leinwand festhalten würde. Sie dachte an Christine - so jung und frisch und fraulich am frühen Morgen! Sie dachte an Gaylord, ihren geliebten Jungen, und an die süße kleine Amanda. Und sie dachte auch an Liz und ihre große traurige Liebe. Alle waren sie so jugendfrisch und unschuldig wie der junge Morgen. Wenn sie an die Müdigkeit und die Zweifel in ihrem Herzen dachte...
Hier im Zimmer sah man vom Morgen nur ein paar Strahlen, die
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