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Schoener Schlaf

Schoener Schlaf

Titel: Schoener Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt , Friedemann Grenz
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Taille.
    Â»Erkennst du es?«, fragte Luise. Ihre Stimme war schrill. »Ich habe es all die Jahre aufgehoben.«
    Fabry schwieg.
    Â»Vor vierzig Jahren im Zirkus Aurelia. Die große Geraldine Moreno als Joséphine Beauharnais, Kaiserin von Frankreich. Erinnerst du dich, Lulu?«
    Natürlich erinnerte er sich. An Maman hatte dieses Kleid allerdings wunderschön ausgesehen. An Luise wirkte es wie ein verschlissener Lappen, der Stoff schlotterte um die mageren Schultern und das Oberteil war nicht ausgefüllt.
    Â»Leider musste die Kaiserin der Franzosen auf ein Pferd steigen und ein paar Runden in der Manege drehen«, erzählte Luise Kranach weiter.
    Â»Hör auf mit diesen alten Geschichten!«, schrie Fabry.
    Â»Doch deine Maman konnte nicht reiten«, kicherte die alte Frau böse. »Sie klammerte sich am Sattelknauf fest und machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Und ich stand hinter einem Vorhang und habe mich kaputtgelacht.«
    Â»Du sollst aufhören!«, brüllte er.
    Â»Das Publikum kam aus dem Lachen gar nicht mehr heraus«, fuhr Luise Kranach ungerührt fort. »Und dann, Lulu, weißt du noch, wie der Schluss der Nummer war?«
    Â»Halt endlich dein Schandmaul«, flüsterte er mit steinerner Miene.
    Â»War das lustig! Hahaha! Sie kriegte den Gaul nicht zum Stehen. Vielleicht hatten die Burschen dem Zossen ja auch etwas Pfeffer in den Arsch geblasen. Also galoppierte das Pferd Runde um Runde, wie vom Teufel gehetzt. Erinnerst du dich noch an die Musik?«
    Â»Bitte«, krächzte Fabry.
    Luise Kranach intonierte mit dünner Stimme eine Melodie. »Allons enfants de la Patrie, le jour de gloire est arrivé! Contre nous de la tyrannie, l’étendard sanglant est levé …«
    Fabry atmete schwer und fühlte eine unbändige Wut in sich aufsteigen.
    Â»Schließlich fiel die Kaiserin von Frankreich vom Pferd«, gackerte die Alte. »Sie plumpste ins Sägemehl und landete direkt in einer Ansammlung von Pferdeäpfeln. Die Leute hielten das für einen tollen Einfall. Und dann kam dein fulminanter Auftritt, Lulu!«
    Luise Kranach griff zum Glas mit dem Brombeerwein und leerte es in einem Zug. »Und? Weißt du es noch?«
    Â»Du solltest nicht so viel trinken«, sagte Fabry. »Das schadet nur deiner Gesundheit.«
    Â»Ich hatte dir eine Uniform genäht, weiß mit Goldlitze und riesigen Epauletten. Du hast schwarze hohe Stiefelchen getragen, eine eng anliegende Hose, an deinem Gürtel hing eine Säbelattrappe. Du musst dich doch erinnern!«
    Er antwortete nicht.
    Â»Das Orchester spielte noch mal die Marseillaise und du kleiner Kaiser, du warst ja erst zehn, wurdest in die Manege geschubst. Deine schöne Maman hockte noch etwas benommen mitten in den Pferdeäpfeln. Du gingst mit erhobenem Kopf auf sie zu, hattest die eine Hand in deiner Uniform versteckt, sie sah dich und sagte: Je vous adore, mon empéreur! Dann ertönte der Tusch und das Publikum grölte.«
    Â»Ich glaube, du musst jetzt ins Bett, Tante Liesel!«, sagte Fabry leise.
    Â»Tante Liesel? O, Lulu, so hast du mich lange nicht genannt!« Tränen liefen über die Wangen der Alten. Sie wankte zu ihm hin, nahm seine Hände und küsste sie. »Sie war so schön, so schrecklich schön, deine Maman«, schluchzte Luise. »Sie stand auf, stützte sich auf deine Schulter und verließ mit erhobenem Kopf die Manege.«
    Fabry hatte Luise untergehakt und schob sie Richtung Schlafzimmer.
    Â»Ich muss das Kostüm erst ausziehen«, stammelte sie, als Fabry sie auf das Bett drückte.
    Â»Nein, du kannst es anlassen«, beschwichtigte er sie. »Heute Abend bist du die Kaiserin Joséphine. Leg dich hin und schließ die Augen!«
    Er dirigierte sie zart, aber bestimmt in die Waagerechte.
    Â»Ich wollte immer so schön sein wie sie«, murmelte die Alte.
    Â»Heute Abend bist du so schön!«, versicherte Fabry. »Und jetzt schlaf gut, Tante Liesel!«
    Â»Je vous adore, mon empéreur …«, flüsterte die alte Frau mit geschlossenen Augen und kuschelte sich in ihre Decke.
    Fabry holte sich vom Diwan ein weiches Kissen und drückte es fest und lange auf ihr Gesicht. Als er es wieder aufnahm, lächelte sie noch immer.
    Kapitel 7
    Anna öffnete den Brief.
    Liebes Fräulein Stern!
    Ich hoffe, es geht Ihnen inzwischen besser und Sie machen Fortschritte, was Ihre Mobilität

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