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Schoener Schlaf

Schoener Schlaf

Titel: Schoener Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt , Friedemann Grenz
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Spielszene an der Seite eines Mannes, dessen Kopf nicht mehr auf das Bild passte.
    Â»Eine sehr schöne Frau«, stellte Kant fest. »Sie sieht so zerbrechlich und filigran aus.«
    Â»Dabei war sie hart im Nehmen«, erinnerte sich Stork. »Sie hielt selbst lange, anstrengende Proben durch und ging dann noch mit in die Kneipe. Hoch die Tassen, Sie verstehen? Hätten wir bloß gewusst, dass sie so schwer krank war!«
    Â»Sie müssen sich keine Vorwürfe machen. Gerade todkranke Menschen leben oft am Limit. Darf ich das Programmheft mitnehmen?«
    Â»Ja. Irgendwann bekomme ich es aber wieder, ja?« Belinda Stork legte ihre Hand auf Kants Arm. »Wenn Sie Ihre Ermittlungen abgeschlossen haben. Versprochen?«
    Â»Versprochen. Haben Sie das gelbe Kostüm noch?«
    Â»Ja. Aber es ist seitdem nicht mehr getragen worden. Theaterleute sind abergläubisch. Ich habe es zusammen mit Carinas Sachen in einen Karton gepackt.«
    Â»Carinas Sachen?«
    Â»Aus ihrem Spind. Viel war da nicht drin.«
    Â»Holen Sie den Karton bitte.«
    Â»Er ist im Lager. Dabei müssen Sie mir helfen.«
    Das Lager der Freilichtbühne war in einem leichten Holzbau untergebracht. Stork schob Kostüme beiseite, kletterte über Ausstattungsgegenstände und arbeitete sich zu einem hohen Regal vor.
    Â»Da oben!« Sie zeigte auf eine Kiste in etwa zwei Metern Höhe. Kant zog eine Truhe heran, stieg darauf und hob die Kiste aus dem Regal. Stork pustete den Staub ab und öffnete sie.
    Â»Och – da sind Motten im Kleid«, stöhnte sie und schüttelte den gelben Stoff. Tote Insekten fielen zu Boden. »Das ist aber schade. Das schöne Kleid! Diese verdammten Viecher. Sie fressen immer nur die edlen Stoffe.«
    Sie warf das Kleid auf den Boden. Ein paar Tiere hatten überlebt, sie stoben auf und flatterten erschreckt im Licht der Funzel. Kant inspizierte den restlichen Inhalt des Kartons. Ein Büchlein, Pfefferminzpillen und ein unbeschriftetes Röhrchen mit Tabletten. Das war alles.
    Kant kehrte ins Präsidium zurück und telefonierte mit Dr.   Bornemann. Der versprach eine schnelle Analyse der Tabletten. Ein Kurier brachte das Röhrchen zum Institut für Rechtsmedizin.
    Das Büchlein trug den Titel Deutsche Gedichte . Kant blätterte es durch, suchte vergeblich nach Lesezeichen, fand schließlich ein kurzes Gedicht, das mit einem Stift markiert worden war. Es war von Theodor Storm.
    Und süßer strömend quillt der Duft der Nacht
    Und träumerischer aus dem Kelch der Pflanzen.
    Ich habe immer, immer dein gedacht;
    Ich möchte schlafen, aber du musst tanzen.
    Kant erinnerte sich an Storms Schimmelreiter, mit dem man ihn in seiner Schulzeit gequält hatte. Und Gedichte waren seine Sache schon gar nicht.
    Ich möchte schlafen, aber du musst tanzen . War dieser Satz ein Hinweis? Und wenn ja, worauf?
    Ihm fiel partout nichts ein und er beschloss, der Sache zunächst keine Bedeutung beizumessen. Karin Schneider hatte Gedichte gemocht – wie viele Frauen.
    *
    Direktor Sucher hatte sich in den Rosengarten der Kunsthalle zurückgezogen. Hier ließ es sich bei der Hitze aushalten. Er hatte dafür gesorgt, dass dieser Teil für die Öffentlichkeit gesperrt blieb. Ein Gärtner hatte einen Zaun gezogen und schmale, hohe Büsche gepflanzt, sodass niemand Einblick in die Idylle hatte.
    Das Gemälde, dieses Ammenbild, ging ihm nicht aus dem Kopf. Sucher hatte das Exposé, das Leist geschrieben hatte, mit in den Garten genommen. Ein Foto brauchte er nicht, er war darauf trainiert, Bilder vor Augen zu behalten.
    Dieses eine Werk war ungewöhnlich – und zwar nicht, weil es besonders gut gemalt war. Mittleres bis spätes 17.   Jahrhundert, Farben und Erhaltungszustand dem Alter entsprechend. Eine Signatur fehlte, was aber nichts Besonderes in dieser Epoche war. Eigentlich eine typische häusliche Szene, wie sie in jener Zeit zu Tausenden angefertigt worden waren.
    Die Auftraggeber solcher Bilder waren keine Kirchenfürsten oder Könige gewesen, sondern reiche Bürger, Tuchhändler, Käsehersteller, Magistratsmitglieder. Einfache Menschen, die es durch geschickten Handel zu so viel Geld und Macht gebracht hatten, dass sie sich einen Maler leisten konnten. Natürlich niemanden wie Jan Vermeer oder Frans Hals, die schon damals hoch bezahlt wurden, aber einen der vielen künstlernden Handwerker, die unter der Leitung

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