Schoener Schlaf
Sitzgruppe.
»Was möchten Sie denn wissen?«
»Egal. Erzählen Sie mir, was Ihnen wichtig erscheint.«
Sucher thronte im Sessel, den kleinen Bauch nach vorn gedrückt, die Beine locker herunterhängend.
Anna erzählte, erst langsam und vorsichtig, dann aber munter drauflos plappernd, mit Witz und Selbstironie. Sucher hörte amüsiert zu. Sie konnte sich gut ausdrücken und verschönte nichts. Sie schloss mit der Bitte, dass man ihr ihre Defizite nachsehen möge und äuÃerte den Vorsatz, viel lernen zu wollen.
»Ihnen ist klar, dass der Arbeitsvertrag sich nur auf die geplante Ausstellung bezieht?«, fragte Sucher.
Natürlich wusste sie das, es stand ja groà drin.
»Und danach?«, fragte Sucher.
»Das wird sich zeigen«, antwortete Anna. »Darf ich Sie auch etwas fragen?«
»Aber natürlich.«
»Sagt Ihnen der Name Fabry etwas? Kennen Sie einen Herrn dieses Namens?«
Sucher schaute erstaunt. »Ja. Der Name sagt mir etwas. Er ist Mitglied in unserem Kunstverein â eines von rund achthundert â und spendet oft über seinen Jahresbeitrag hinaus. Er besitzt selbst ein paar Landschaftsbilder. Warum interessiert Sie das?«
»Ich bin Herrn Fabry zufällig begegnet. Und er ist ein bisschen â wie soll ich sagen? Lästig!«
Sie erzählte von dem Aufeinandertreffen am See. »Er behauptete, mit Ihnen befreundet zu sein, und wollte mit Ihnen über mich sprechen.«
»Befreundet? Nein, das ist übertrieben. Machen Sie sich keine Sorgen«, beschwichtigte Sucher. »Ich spreche grundsätzlich mit keinem AuÃenstehenden über Interna. Sie werden bestimmt eine groÃe Hilfe für uns und Ihren Onkel sein. Ãbrigens â in Kürze beginnt unser Chefrestaurator mit der Röntgenanalyse eines der Bilder. Das ist bestimmt sehr interessant für Sie. Ihr Onkel hat sein Erscheinen ebenfalls angekündigt. Ich werde Ihnen aber jetzt erst mal Ihr Büro zeigen.«
Eine Stunde später versammelten sich Anna Stern, Angelo Salieri, Rebecca Leist, Manfred Sucher und Hans Sommerberg in der Werkstatt des Restaurators.
Leist war nicht besonders gut drauf. Sucher brachte sich viel stärker ein als sonst üblich. Er wirkte wacher, schlurfte nicht mehr mit abwesendem Gesichtsausdruck durch die Flure, führte keine wirren Monologe mehr und schnäuzte sich kaum noch die Nase. Sein ekelhafter Schnupfen schien über Nacht verschwunden zu sein.
»Dann wollen wir mal.« Meyer zwei stellte das Hochfrequenzröntgengerät vor dem Ammenbild auf, das in eine hölzerne Vorrichtung eingespannt worden war.
Sucher machte Anna Stern und Meyer zwei miteinander bekannt und bat den Restaurator, die einzelnen Schritte des Tests genau zu erläutern.
»Die Röntgenanalyse hat den groÃen Vorteil, dass wir ein Bild nicht beschädigen müssen, um es untersuchen zu können«, begann Meyer. »Wir bekommen einen Blick durch sämtliche Schichten des Werkes. Jedes Material, jede Farbe absorbiert die Röntgenstrahlen unterschiedlich. Moment, ich zeige es Ihnen.«
Meyer schaltete das Gerät ein und sie verlieÃen den Raum. Anna wartete darauf, dass jemand sagen würde: Bitte nicht mehr atmen. Der Restaurator betätigte den Auslöser und die kleine Gesellschaft betrat den Röntgenraum wieder.
Ein Monitor zeigte die Aufnahme. Die bleichen Ammengesichter waren verschwunden, die Farben verblasst. Schlieren zogen sich wie Rinnsale über das Foto, es waren helle und dunkle Flecke, klare und unklare Linien zu erkennen.
»Bleiweià lässt Röntgenstrahlen nicht durch«, erklärte Meyer und zeigte auf dunkle Stellen. »Deshalb tragen die Röntgenärzte ja auch Bleischürzen. Und das hier ist BleiweiÃ. Im 17.  Jahrhundert gab es noch kein Zink- oder TitanweiÃ. Viele Fälscher machen schon hier den ersten Fehler.«
»Ist dieses Bild wirklich etwas so Besonderes, dass sich dieser ganze Aufwand lohnt?«, fragte Hans Sommerberg. »Ich habe noch mal in meinen Unterlagen nachgeschaut. Ich habe das Bild damals für nur dreitausend Mark bekommen. Nun ja, immerhin könnte es ja wirklich aus der Werkstatt von Cornelis de Man stammen â so hat es der Händler jedenfalls angedeutet.«
»Vielleicht war der Maler ein Man-Schüler«, stimmte Sucher zu. »Jedenfalls obendrauf.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Sommerberg
Weitere Kostenlose Bücher