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Schoener Schlaf

Schoener Schlaf

Titel: Schoener Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt , Friedemann Grenz
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Holz genagelt war.
    Der Restaurator nahm eine kleine Schere und schnitt ein paar Fasern ab. Sie waren dunkelblau mit einem leichten Ton ins Grün.
    Â»Kobalt?«, fragte Sucher.
    Â»Das gab es im 17.   Jahrhundert noch nicht.« Meyer drehte das Bild wieder um und deutete auf die gemalten Kacheln, die sowohl den Kamin als auch die hintere Wand der Stube zierten. »Das hier ist Azurit. Ein basisches Kupferkarbonat. Entsteht, wenn Kupfersulfide verwittern. Schon die Ägypter kannten das Zeug und die römischen Frauen schminkten sich damit die Augenlider. Das wichtigste blaue Pigment in dieser Zeit.«
    Â»Und das andere Blau ist was?«
    Â»Lapislazuli.«
    Sucher wusste, was das bedeutete, und es lief ihm ein Schauer über den Rücken. Lapislazuli – jene seltene und unbezahlbare Farbe!
    Â»Sind Sie sich sicher?«, krächzte der Direktor. Vor Aufregung begann seine Nase zu laufen.
    Meyer reichte ihm ein Stück von einer Küchenrolle.
    Â»Ich habe das nicht erst jetzt entdeckt«, erklärte er. »Schon neulich bei der ersten Besichtigung. Bevor ich den Schinken unters Licht gelegt habe, hatte ich die Farbe schon im Glas. Das Azurit nachzuweisen, war kein Problem, Kupfer lässt sich leicht finden. Danach habe ich eine Probe von der Rückseite untersucht – und siehe da: sulfidhaltiges Aluminiumsilicat.«
    Sucher konnte noch so eben folgen. Der Restaurator war sehr gut in seinem Job.
    Â»Und jetzt frage ich mich natürlich«, fuhr Meyer fort, »warum ein und derselbe Maler ein Bild mit billigerem Azurit übermalt oder korrigiert, wenn er darunter Lapislazuli verwendet hat.«
    Â»Das ergibt keinen Sinn«, stimmte Sucher zu.
    Â»Eben. Deshalb glaube ich auch nicht, dass der erste und der zweite Maler identisch sind.«
    Â»Und der zerknüllte Brief auf dem Boden? Was könnte er bedeuten?«
    Â»Das ist vielleicht ein Hinweis auf den ersten Maler«, murmelte Meyer. Auf seiner Stirn hatten sich Schweißperlen gesammelt. »Moment, so was gab es doch schon mal!«
    Â»Ich weiß.« Sucher nickte. »In Dublin.«
    Â»Genau.« Meyer zwei zog ein Buch aus dem Regal und blätterte hektisch. »Hier!«
    Aufgeschlagen war die Abbildung eines Gemäldes, das zwei Frauen zeigte. Eine von ihnen saß schreibend an einem Tisch, die andere stand hinter ihr und blickte durch das bleiverglaste Fenster in die Ferne.
    Â»Jan Vermeer«, flüsterte Meyer. » Briefschreiberin und Dienstmagd. Es hängt in der irischen Nationalgalerie. Da liegt auch ein Brief auf dem Boden! Er sieht fast genauso aus wie der auf unserem Bild!«
    Â»Ich sehe, die Angelegenheit ist bei Ihnen in guten Händen«, bemerkte Sucher. »Ich überlasse Sie Ihren Gedanken.« Der Direktor zog sich in sein Büro zurück.
    Die nächsten Stunden las Meyer zwei alles gründlich nach, was er über die neuesten Untersuchungsmethoden zu Gemälden aus dem 17.   Jahrhundert in der Fachpresse fand. Anlässlich der Jahre dauernden Bestimmung des letzten Vermeer-Gemäldes Junge Frau am Virginal waren zahlreiche Aufsätze veröffentlicht worden.
    Inzwischen konnte man zumindest bestimmen, ob Werke, die Jan Vermeer zugeschrieben wurden, zu seiner Lebenszeit gemalt worden waren. Fälschungen, bei denen moderne Bleipigmente zum Einsatz gekommen waren, wurden mithilfe der Blei-210-Methode erkannt. Das Blei-210 hat eine Halbwertzeit von zweiundzwanzig Jahren.
    Außerdem hatte man zu Lebzeiten Vermeers das in den Farben verwendete Blei aus Lagerstätten in den europäischen Mittelgebirgen gewonnen. Erst seit dem 19.   Jahrhundert wurden die Bleierze aus Amerika und Australien eingeführt.
    Doch wie sollte man einen Vermeer identifizieren, der schon zu dessen Lebzeiten übermalt worden war?
    Kapitel 17
    Der erste Arbeitstag. Gut gelaunt meldete sich Anna bei Dr.   Sucher an. Sie trug jetzt – laut Arbeitsvertrag – den Titel einer wissenschaftlichen Hospitantin.
    Anna wartete im Vorzimmer und ließ sich von der Sekretärin beäugen. Offenbar fand sie Gnade vor deren Blicken, denn ihr wurde eine Tasse Kaffee angeboten.
    Â»Herr Dr.   Sucher lässt jetzt bitten«, meinte die Frau schließlich und Anna trat ein.
    Â»Frau Stern! Willkommen in unserem kleinen illustren Museum. Wir haben uns ja schon kurz gesehen. Erzählen Sie mir etwas von sich.«
    Sucher führte Anna zu einer verschlissenen

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