Schoener Schlaf
wie Vermeer in Delft gelebt. Aber Vermeer war elf Jahre jünger, hat vielleicht sogar bei de Man gelernt. Die beiden haben sich vermutlich gekannt, sagen die Forscher. De Man war Mitglied der Lukas-Gilde in Delft wie Vermeer später, hat dann aber neun Jahre in Frankreich, Florenz, Rom und Venedig gearbeitet. 1654 kehrte er nach Delft zurück.«
»Also: just in time«, schlussfolgerte Angelo.
Der Direktor wandte sich seinem Restaurator zu. »Und jetzt erzählen Sie uns, lieber Herr Meyer, was unser Vermeer-Bild so alles zeigt. Vor lauter Linien und Flecken sehe ich gar nichts.«
Meyer zuckte die Schultern. »Da möchte ich mich noch bedeckt halten.«
»Und der Brief auf dem Boden?«
Meyer verstand. »Oberste Schicht.«
»Und darunter?«
»Ein FuÃboden. Mehr kann ich noch nicht erkennen.«
»Der Bildträger? Irgendwelche Auffälligkeiten?«
»Passt hundertprozentig zu Jan Vermeer. Reines Flachs. Die Fadendichte, also Kette und Schuss, liegt bei vierzehn mal vierzehn pro Quadratzentimeter.«
»Die Leinwand spielt eine groÃe Rolle«, erklärte Sucher an Anna gerichtet, »Sie haben ja bestimmt von der Auktion im Juli gelesen. Der letzte bekannt gewordene Vermeer. Den Ausschlag für den Echtheitsnachweis hat gegeben, dass die Leinwand von derselben Beschaffenheit war wie die bei Vermeers berühmter Spitzenklöpplerin. Mit derselben Fadenzahl pro Zentimeter, mit denselben winzigen UnregelmäÃigkeiten in der Grundierung. Die Beschaffenheit ist so ähnlich, dass beide Leinwände so gut wie sicher von ein und demselben Ballen stammen.«
»Könnte von Frau Vermeer höchstselbst gewebt worden sein«, meinte Meyer. »Wenn dieses Leinen hier auch von dem Ballen stammt, haben wir den Beweis.«
»Sind Sie sich denn wirklich ganz sicher, dass es unter dem Ammenbild ein anderes gibt?«, Sommerberg wurde die Zweifel nicht los.
»Ja, aus zwei Gründen. Sehen Sie selbst. Auf dem Röntgenbild finden sich Linien und Flächen, die mit dem sichtbaren Motiv nichts zu tun haben. Das ist schon ein deutlicher Hinweis. Dazu kommen die Farben am Rand, besonders die Spuren von Lapislazuli. Die haben mit der Ãbermalung nichts zu tun.«
»Können Sie die Ãbermalung so entfernen, dass sie erhalten bleibt?«, erkundigte sich Sommerberg.
»Wie meinen Sie das?«
»Wenn man die Ãbermalung Stück für Stück abheben und auf einer anderen Leinwand wieder zusammensetzen könnte, hätte man am Ende zwei Bilder. Entschuldigen Sie die laienhafte Frage.«
Meyer lächelte. »Ich verstehe. Leider geht das nicht. Wenn ich das übermalte Bild freilege, wird das obere ohne Wenn und Aber zerstört. Ich muss ganz winzige Fragmente ablösen. Das kann nicht so geschehen, dass diese Fragmente wie ein Puzzle wieder zusammengesetzt werden können.«
Sommerberg hielt es nicht mehr auf seinem Stuhl, er lief durch die Werkstatt, immer wieder einen verstörten Blick auf das Ammenbild werfend.
Sucher und Meyer zwei sahen sich an. Die Sache stand auf der Kippe, das wussten beide.
»Ich muss mal an die frische Luft«, sagte Sommerberg. »Kommst du mit, Anna?«
Sie nickte, hakte den Onkel unter und schob ihn aus der Werkstatt.
»Brauchst du deine Tabletten?«, fragte sie drauÃen.
»Nein, nein«, wehrte er ab. »Lass uns ein paar Schritte gehen. Was soll ich tun?«
»Das musst du ganz allein entscheiden«, antwortete Anna. »Wenn das wirklich ein Vermeer ist, wird es eine Menge Trubel geben. Und für dich eine Menge Geld.«
»Allerdings. Was würdest du denn tun?«
»Runter mit der Schmiere!« Sie lachte ihn spitzbübisch an. »Und her mit dem Vermeer!«
»Gut. Ich bin einverstanden«, sagte Sommerberg, als sie die Werkstatt wieder betreten hatten.
Die Erleichterung über Sommerbergs Entscheidung stand Meyer zwei ins Gesicht geschrieben. »Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass es mir eine persönliche Ehre wäre, einen Vermeer zu enthüllen.«
»Und dann? Die Analyse des letzten Vermeer hat über zehn Jahre gedauert.«
»Wir müssen natürlich noch andere Experten hinzuziehen«, meinte Sucher. »Wir können der Kunstwelt nicht einfach mit einem neuen Vermeer kommen. Jeder wird uns auslachen und in der Luft zerreiÃen.«
»Ich kenne Henri Goldstein von Sothebyâs ganz gut«, mischte sich Rebecca
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