Schoener Schlaf
ihm von der schnittigen Kiste erzählt, die sie gefahren hatte. Doch der Roadster war nicht zu entdecken.
Aus der Wohnung der Nachbarin waberten indische Musik und der Duft von süÃlichen Räucherstäbchen ins Treppenhaus. Nur mit Widerwillen rückte die Nachbarin den Schlüssel raus. In ihren Kreisen waren Bullen geborene Feinde. Weingarten machte ihr klar, dass Belinda Stork aktuell keine Feinde mehr hatte.
Neumann und Weingarten durchsuchten die Wohnung. Das war keine leichte Aufgabe, denn Stork hatte im Chaos gelebt. Auf ihrem Schreibtisch stapelten sich unbezahlte Rechnungen, Kataloge mit Dessous, Rezepte und Textbücher.
Neumann hob einige Blätter hoch. »Hier sind Zeichnungen von Kostümen. Sie sehen aus wie die, die Kant aus der Werkstatt von der alten Kranach mitgenommen hat. Derselbe Stil.«
»Ach? Bist du plötzlich Kunstexperte geworden?«, flachste Weingarten.
»Die Zeichnungen nehmen wir mit«, entschied Neumann. »Den Rest der Bude überlassen wir den Kollegen der Spusi.«
Das Labor arbeitete schnell. Die Kollegen entdeckten am Kostüm von Belinda Stork graue Fasern. Die Infrarotanalyse ergab, dass sie von Teppichware stammten, die für die Ausstattung von Autoböden verwandt wurde.
»Bringen Sie mir den dazugehörenden Wagen«, sagte der Laborant, als würde er in einem schlechten Film mitwirken. »Dann haben wir den Kerl.«
Rechtsmediziner Bornemann stellte am Abend Parallelen zum Mord an Maja Schneider fest: Die Stichwunde habe ähnlich glatte Ränder und das Messer sei auf die gleiche Art geführt worden.
»Der Täter will nicht, dass sie bluten. Zumindest nicht nach auÃen. Vermutlich törnt ihn das nicht an«, resümierte Bornemann.
»Was törnt ihn nicht an?«
»Viel Blut. Diese gestörten Typen wollen doch eigentlich sehen, was sie anrichten. Und was kann es Schöneres geben, als zu beobachten, wie dieser kostbare Saft zusammen mit dem Leben aus den Opfern hinausflieÃt?«
»Du bist ja einer echter GenieÃer, Doc«, stellte Kant fest.
Der Rechtsmediziner deckte das Tuch wieder über das Gesicht der Toten.
»Man gönnt sich ja sonst nichts. Diese Dame hier hatte übrigens Alkohol im Blut«, berichtete der Arzt. »Aber nicht viel. Und Veronal. Diethylbarbitursäure â wie das erste Opfer.«
»Kalypnon â der schöne Schlaf«, murmelte Kant.
Kapitel 24
Goldstein war überrascht, dass auf dem Bahnsteig ein Mann auf ihn zukam, sich als Journalist vorstellte und ihn in mangelhaftem Englisch um ein Interview bat. Der Vermeer-Experte mochte keine Presseleute â zumindest nicht, wenn er sie nicht ausdrücklich eingeladen hatte. Daher lehnte er höflich, aber bestimmt ab, konnte aber nicht verhindern, dass der Kerl mehrere Fotos von ihm schoss.
Das fängt ja gut an, dachte Goldstein. Er zückte sein Handy und informierte Frau Leist, dass er angekommen sei und jetzt ein Taxi nehme.
Wenig später betrat er die Kunsthalle.
Die Frau an der Kasse wählte Leists Telefonnummer. Goldstein sah sie heranstöckeln: eine schlanke, elegant gekleidete, hoch aufgeschossene Person mit streng zurückgekämmtem blondem Haar.
Sie reichte ihm die Hand, hieà ihn willkommen, lächelte eher beherrscht als herzlich und lobte sein perfektes Deutsch.
»Das habe ich meinen deutschen Vorfahren zu verdanken«, erklärte er.
In der Werkstatt herrschte eine gespannte Atmosphäre. Alle Augen richteten sich auf den Mann aus London. Leist stellte die Anwesenden vor: Sucher, Meyer zwei, Sommerberg und Anna.
»Ich bin sehr gespannt«, gab Goldstein zu.
Meyer zog das Tuch vom Bild. Der Vermeer-Experte trat an die Staffelei, nahm die Leinwand auf und hielt sie unter das Licht. Wie alle Experten wollte er das Bild erst einmal auf sich wirken lassen, bevor es ans Analysieren ging, bevor Röntgenapparate eingerichtet und Infrarottests gemacht würden.
»Gute Arbeit«, murmelte Goldstein.
Meyer bezog die ÃuÃerung auf seine Restaurationstätigkeit und strahlte.
»Was hat die chemische Analyse der Farben ergeben?«
Meyer fasste die Ergebnisse seiner bisherigen Untersuchungen zusammen.
»Sehr schön!« Goldstein legte das Gemälde auf den Tisch. Er wirkte entspannt und nur mäÃig interessiert.
Warum â zum Teufel â verliert er kein Wort über die Signatur?, dachte Sucher.
Jetzt ist es also passiert, ging
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