Schoener Schlaf
es Goldstein durch den Kopf, ich habe wieder einen Vermeer am Hals. Das Bild ist echt. Ich fühle es.
Er sah Sommerberg an. »Und Ihnen gehört das Bild? Wo haben Sie es erworben und von wem?«
»Auf einer Auktion in Amsterdam. Vor über zwanzig Jahren. Als Maler wurde mir damals Cornelis de Man genannt.«
»De Man und Vermeer kannten sich«, sagte Goldstein.
»Was ist mit der Signatur?«, wagte Anna zu fragen. »Da steht doch klar und deutlich J-Meer. Ist das kein Beweis?«
»Leider nicht. Vermeer hat seine Werke nicht immer signiert, sondern nur manchmal«, erklärte Goldstein. »Im Laufe der Jahre wechselte die Schreibweise, auf den späteren Werken stand das J für seinen Vornamen über dem M, mal vor dem M, mal hat er die Signatur an die gemalte Wand, mal auf ein abgebildetes Musikinstrument gepinselt. Vermeers Regel war, keine Regel zu haben. Er hat nur etwa ein oder zwei Bilder pro Jahr gemalt, da kann man schon mal vergessen, wie man im Jahr zuvor signiert hat, oder?«
Alle in der Runde lachten.
»Was sagen Sie denn nun?«, fragte Sommerberg. »Könnte es ein Vermeer sein?«
Goldstein sah ihn ernst an. »Vieles deutet darauf hin, dass es sich tatsächlich um einen Vermeer handelt. Aber meine persönliche Meinung bedeutet nicht viel. Ob es wirklich einer ist, muss genau erforscht werden.«
»Was schlagen Sie vor?«, fragte Leist.
»Strengste Geheimhaltung. Völlige Entfernung der Ãbermalung. Die notwendigen restauratorischen und konservatorischen MaÃnahmen. Danach sollte das Bild einer Expertenrunde präsentiert werden. Vielleicht denselben Leuten, die die Junge Frau am Virginal beurteilt haben. Wären Sie damit einverstanden, Herr Sommerberg?«
»Ja. Wo würde diese Untersuchung stattfinden? In London?«
»Das wäre mein Vorschlag. Aber erst sollte Herr Meyer seine sehr gute Arbeit fortsetzen. Währenddessen sollte das Bild sicher untergebracht werden. So, und jetzt möchte ich in mein Hotel und mich erfrischen. Leider habe ich morgen Termine in London. Ich denke aber, ich werde mich in nicht allzu ferner Zukunft wieder hier einfinden, wenn es Ihnen recht ist.«
Unter lebhafter Zustimmung bot Leist Goldstein an, ihn ins See-Hotel zu fahren, in dem sie ein Zimmer reserviert hatte.
Nach dem Termin mit Goldstein verzog sich Anna in ihr kleines Büro. Kant hatte sich nicht mehr gemeldet. Das hatte sie nicht erwartet, nach dieser schönen, wilden Nacht. Was war los mit diesem Mann? Beim Sex war er ihr wie ein Ertrinkender vorgekommen, einer, der nicht nur Befriedigung des Körpers, sondern der Seele suchte.
Ich bin eine unverbesserliche romantische Kuh, dachte sie. Ich habe meine Wünsche auf diesen groben Polizisten projiziert, der nichts anderes wollte, als mich flachzulegen. Abgehakt und fertig.
Sie wandte sich ihrer Arbeit zu. Für jedes der zwanzig Gemälde musste sie eine Geschichte zusammenstellen, eine Art Bildbeschreibung für den späteren Katalog. Salieri hatte die Aufgabe, die Beschreibung auf Fehler zu untersuchen â so hatte es Leist angeordnet. Immerhin hatte Angelo im Gegensatz zu Anna sein Kunststudium beendet und die besseren Fachkenntnisse.
Doch sie konnte sich nicht konzentrieren. Die Texte blieben ohne Esprit. Kopfschmerzen lähmten sie. Sie schaltete den Rechner aus und packte ihre Sachen zusammen.
Auf dem Weg nach drauÃen kam sie an der Restaurationswerkstatt vorbei. Sie drückte die Tür auf. Meyer zwei war natürlich noch da. Er bemerkte sie und winkte sie heran.
»Es ist ein Wunder«, sagte er. »Ein Wunder, auf das ich jahrelang gewartet habe. Als Student hab ich davon geträumt, mal einen verschollenen Michelangelo, Botticelli oder van Gogh zu finden â¦Â«
»Und jetzt ist es nur ein Vermeer«, bedauerte Anna.
»Nur? Vermeer ist der Interessanteste von allen, weil man so wenig über ihn weiÃ. Doch die Farben, die er benutzt hat, verraten ihn. Jeder Maler hatte seine eigene, geheime Mischung.«
Es klopfte.
»Hier Sucher«, klang es durch die Tür. »Ich bin allein und unbewaffnet. Darf ich eintreten?«
»Es ist offen, Chef!«, rief Meyer.
Sucher trat ein.
»Soll ich gehen?«, fragte Anna.
»Bleiben Sie ruhig, Frau Stern. Wir müssen was bereden, Meyer.«
Meyer schwante etwas. »Geht es um die Sicherheit des Bildes? Ich verbürge mich persönlich dafür, dass niemand an das
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