Schoener Schlaf
nichts zu tun haben, ersetzt der Staat die Kosten. Jetzt fahren wir zur Werkstatt Ihrer Tante. Wollen Sie uns begleiten? Sie können uns aber auch gerne den Schlüssel geben.«
»Darauf verzichte ich«, meinte Fabry. Er zog ein Schlüsselbund aus der Jacke, hakte einen Schlüssel aus und reichte ihn Kant. »Bitte schön, Herr Hauptkommissar!«
»Was ist mit dem Banksafe, in dem Sie Bilder aufbewahren? Den müssen wir uns auch ansehen.«
»Kein Problem.« Fabry notierte den Namen der Bank auf einem Zettel, wickelte einen Schlüssel hinein und gab ihn weiter. »Ich werde bei meinem Kundenbetreuer anrufen und ihm sagen, dass Sie reinschauen dürfen. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
*
Meyer zwei arbeitete wie ein Besessener. Goldsteins Interesse und die Signatur beflügelten ihn. Gleichzeitig hatte er Angst, Farbe und Firnis zu ungestüm zu entfernen. Ungeduld war für einen Restaurator eine Todsünde. Die Farben hatten dreihundertfünfzig Jahre lang Zeit gehabt, sich der Leinwand zu bemächtigen, sie zu durchdringen, sie zu verändern, und er sollte diese lange Zeit innerhalb von ein paar Wochen rückgängig machen. Dabei waren die Farben ja auch lebendig, veränderten sich durch Licht und Luftfeuchtigkeit, fielen Pilzen, Bakterien und Schädlingen zum Opfer. Oder Malschichten, einstmals dicht aufgetragen, wurden im Laufe der Jahrhunderte durchsichtig, weil sich das Bindemittel zersetzte â zum Beispiel durch eine nicht vorhersehbare Reaktion mit einem Pigment. Bei Erden wie Umbra und Ocker lösten sich oft feinste Teilchen und durchwanderten die Malschicht. Das sogenannte Durchwachsen hatte Einfluss auf die Farben, verdunkelte sie â ein Phänomen, das besonders bei Leinwandbildern zu beobachten war. Auch die Risse in der Malschicht, das Craquelé, bot schädlichen Einflüssen Angriffspunkte. Nur zu gern siedelten sich darin Schimmelpilze an.
Solchen Zerstörern auf die Spur zu kommen, den Verfall zu stoppen und die Schönheit zu erhalten â das war Meyers Leidenschaft und deshalb hatte er diesen Beruf gewählt.
Kurz vor Feierabend konnte der Restaurator dem Direktor wieder eine Neuigkeit mitteilen: Das Kleid unter dem gelben Kragen, das die Frau auf dem Bild trug, war ultramarinblau und die Farbanalyse hatte eindeutig ergeben, dass es sich um die mystische Farbe Lapislazuli handelte.
Leider war das Bild irgendwann hoher Feuchtigkeit ausgesetzt gewesen und das tiefe Blau hatte sich an manchen Stellen aufgehellt.
»Typischer Fall von Ultramarinkrankheit«, erklärte Meyer, »aber das kriegen wir in den Griff. Ansonsten wird es langsam immer schwieriger. Zur Mitte hin sind die Ãbermalungen ziemlich massiv. Das dauert, bis das Gemälde ordentlich freigelegt ist. Dabei ist der springende Punkt: Was befindet sich im Zentrum des Bildes?«
Kapitel 25
Am nächsten Morgen überraschte Sommerberg die für die Ausstellung zuständige Mannschaft mit seinem Entschluss, das Bild abends mit nach Hause nehmen zu wollen.
Sucher traute seinen Ohren nicht, Meyer zwei bekam einen panischen Blick und Rebecca Leist rief: »Alberto, du spinnst!«
Nur Angelo Salieri grinste. Der alte Mann ist für Ãberraschungen gut, dachte er.
»Ich spinne? Solange das Gemälde nicht entsprechend versichert ist, halte ich das für die beste Lösung. Jeder potenzielle Kunstdieb wird im Safe der Kunsthalle danach suchen und nicht bei mir zu Hause. Ich habe gestern Abend einen Kriminalfilm im Fernsehen gesehen«, erzählte Sommerberg. »Die Handlung ist nicht weiter erwähnenswert. Es ging um eine Bank, die eine erhebliche Summe Bargeld transportieren musste. Die Polizei hatte Hinweise, dass der Geldtransport überfallen werden sollte. Also wurden in drei gleiche Geldtransporter drei gleiche Geldkassetten eingeladen und die Wagen nahmen verschiedene Routen zum Ziel. Pech für die Spitzbuben, denn so wussten sie nicht, welchen Wagen sie überfallen sollten â also lieÃen sie es ganz. Tolle Idee, was?«
»Dann willst du also jeden Abend das Gemälde in eine Plastiktüte packen und abmarschieren, Alberto?«, vergewisserte sich Leist â noch immer zweifelnd, ob Sommerberg sie auf den Arm nehmen wollte.
»Die Idee ist nicht schlecht«, gab Sucher zu. »Das klappt aber nur, wenn wir alle dichthalten.«
»Ich protestiere.« Meyer zwei war auÃer sich. »Ich arbeite
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