Schoener Schlaf
vierundzwanzig Millionen Euro versteigert wurde.Diesmal würde die Bestimmung des Bildes nicht mehrere Jahre dauern, da war sich Goldstein sicher.
Goldstein spürte erneut das Vermeer-Fieber. Kann es einem Menschen allein vergönnt sein, gleich zwei Bilder des absoluten Meisters zu entdecken?, fragte er sich. Dann lieà er sich einen Flug buchen. Für den kommenden Dienstag.
Kapitel 26
In der Nacht hatte Hans Sommerberg mit dem Vermeer-Mädchen âºgekuscheltâ¹. Er wachte immer wieder auf, knipste das Licht an und betrachtete das Bild. Das Gesicht der Frau schien sich zu verändern, je öfter er es anschaute: Mal glaubte Sommerberg, ein Lächeln zu entdecken, dann schienen sich ihre Wangen auf wundersame Weise leicht gerötet zu haben. Auch das Gelb des Kleidkragens wechselte von Zitrone zu sonnig und wieder zu Zitrone. Gegen drei Uhr morgens war Sommerberg so erschöpft, dass er endlich in tiefen Schlaf fiel.
Bestens gelaunt betrat er am nächsten Morgen die Kunsthalle, in der einen Hand die Plastiktüte, in der anderen eine Aktentasche. Schnellen Schrittes steuerte er direkt auf die Restaurationswerkstatt zu, in der Meyer zwei schon seit zehn Minuten darauf wartete, mit der Arbeit beginnen zu können.
»Alles klar«, sagte Sommerberg und legte die Tüte vor Meyer auf den Tisch. »Ich hatte eine aufregende Nacht mit ihr.«
»Das glaube ich Ihnen gern.« Der Restaurator packte das Bild aus und befestigte es auf der Staffelei. »Meine Arbeit hat mir noch nie so viel Freude gemacht.«
»Ja. Es ist, als würde man eine Frau ganz langsam entkleiden.«
»Ich sehe, wir verstehen uns«, grinste Meyer. »Henri Goldstein ist übrigens wieder im Anmarsch. Dienstag will er hier sein. Das Lapislazuli und der gelbe Kragen haben ihn aufgeschreckt.« Er setzte seine Lupenbrille auf. »Bis er da ist, will ich hier noch ein bisschen weiterkommen.« Er deutete auf die Mitte des kleinen Bildes, in der sich die Hauptperson befinden musste, wenn man streng nach der Kompositionslehre ging.
»Darf ich Ihnen zuschauen?«, fragte Sommerberg.
»Meinetwegen. Aber nehmen Sie sich einen Mundschutz«, bat Meyer. »Die Lösungen, die hier rumstehen, benebeln etwas. Seitdem ich an diesem Bild herummache, brauche ich abends keinen Alkohol mehr.«
*
Anna und Angelo hatten die Texte für den Ausstellungskatalog fast fertig. Er nahm den Weg in Leists Büro, um ihr das Geschriebene vorzulegen. Die Sekretärin war nicht da und die Tür zwischen dem Vorzimmer und Leists Büro stand einen Spaltbreit offen. Angelo wollte etwas rufen, sich ankündigen, doch dann hörte er sie telefonieren.
»Er nimmt das Bild tatsächlich mit nach Hause.«
Angelo blieb stehen. Was sagte sie denn da? Darüber war doch Stillschweigen vereinbart worden!
Er trat näher zur Tür. Mit wem redete sie?
»Ich bin mir sehr sicher«, sagte sie mit Bestimmtheit. »Aber Sie können sich ja später selbst davon überzeugen.«
Wird wohl Goldstein sein, dachte Angelo, aber auch der sollte nicht wissen, dass Sommerberg jeden Abend mit dem Bild hier hinausspaziert.
Ein Gefühl sagte ihm, dass er nicht länger lauschen wollte oder sollte. Salieri hustete, klopfte an die Tür und steckte den Kopf ins Zimmer.
»Ich muss Schluss machen«, sagte Leist.
Wirkte sie etwas verlegen oder bildete er sich das nur ein? Sollte er sie fragen, mit wem sie telefoniert hatte? Angelo tat nichts dergleichen.
»Ich habe jetzt die Texte für den Katalog zusammen«, sagte er. »Könntest du sie bitte durchlesen und Anna und mir Bescheid sagen, was du geändert haben möchtest?«
Sie sah ihn prüfend an. Wie viel hatte er von dem Telefonat mitbekommen? »Wie lange stehst du schon hinter der Tür?«
»Wieso? Ich bin gerade erst gekommen!«, log er. »Warum fragst du?«
»Vergiss es. Leg die Sachen da drüben hin. Ich sehe sie mir später an.«
*
Die Nachforschungen bei den Taxiunternehmen brachten kein Ergebnis. Kein Fahrer konnte sich erinnern, dass im fraglichen Zeitraum jemand ein Taxi zur LandstraÃe bestellt hatte.
In der Pressemitteilung an die Medien wurde nach Zeugen gefragt, die in einem Waldstück bei Rheinburg ein Auto hatten brennen sehen.
Kay Schaumkuss vom Boulevardblatt las die kurze E-Mail der Mordkommission und der Staatsanwaltschaft. Er kannte einige Leute im Polizeipräsidium, die ihn ab und
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