Schönes Leben noch! (German Edition)
tätschelte ihre Hand. „Von Familie verstehe ich etwas. Bei mir ist sie sicher.“
„Ich mache mir vielmehr Gedanken darüber, ob sie vor ihnen sicher ist“, murmelte sie und musste dann das Thema wechseln, weil Bev und Emily fertig waren.
Welch unerwartete Komplikationen, dachte sie zehn Minuten später, als Rudy ihrer Tante vorschlug, mit ihm zusammen Eis zu holen, und sie zustimmte. Er stand auf, streckte die Hand aus und half Bev hoch, als wäre sie eine filigrane Blume. Und zu allem Überfluss kicherte Bev und lächelte ihn an.
Es war nicht nur der Umstand, dass zwei ältere Menschen miteinander flirteten, der ihr Unbehagen bereitete. Das war zwar irgendwie seltsam, aber damit käme sie schon zurecht. Nur war das hier ihre Tante. Und Rudy. Sie hätte nie damit gerechnet, dass ersich an sie ranmachen würde. Bev interessierte sich ernsthaft für übersinnliche Fähigkeiten und blieb für ihre Gabe – gewissermaßen – rein. Rudy interessierte sich für … Jill runzelte die Stirn, als sie bemerkte, dass sie die Frage nicht beantworten konnte.
„Kanntest du Gracie?“, fragte Emily, als sie ihr letztes Sandwich verdrückte. „Die aus der Legende?“
„H-hm. Wir waren früher schon befreundet und sind es noch immer. Sie lebt in Los Angeles.“
„Und sie mochte wirklich einen Jungen?“
„Mögen“ war kaum das angemessene Wort. „Ja, aber er mochte sie nicht, und das hat sie sehr traurig gemacht.“
Emily rümpfte die Nase. „Jungs sind nicht besonders nett. Manchmal sind sie sogar ziemlich fies.“
„Das wird sich irgendwann ändern“, versprach Jill. Jedenfalls hoffte sie, dass es bei Emily so wäre. In ihrer Welt hatte Lyle sich so fies verhalten, dass es für zwei Männer reichte. Warum hatte er sie nicht so geliebt wie Gracie ihren Riley?
Jill überdachte ihren letzten Gedanken noch einmal. Eigentlich wollte sie keinen Stalker – sondern nur jemanden, der aufmerksam war. Und wie Mac küsst, dachte sie mit einem Lächeln. Selbst wenn er es eilig hatte, waren seine Küsse noch ziemlich heiß. Lyle war einfach ein Riesenfehler gewesen. Wenn ihr Leben nur ein bisschen anders verlaufen wäre, hätte sie ihn niemals geheiratet. Es lag an dieser Sache mit dem Nacktsein.
„Bist du bereit, Tinas Kinder kennenzulernen?“, fragte sie.
„Na klar.“ Emily warf ihren Pappteller in den Müllsack und stand auf.
Jill vergewisserte sich, dass die Decke an allen Ecken beschwert war, und bat ihre Platznachbarn, ein Auge auf ihre Sachen zu haben. Dann nahm sie Emilys Hand und ging mit ihr in Richtung Rettungsschwimmerstation Nummer drei, wo Tina – laut eigener Aussage – mit ihrer Familie das Lager aufgeschlagen hatte.
Warum ist das Leben nur so kompliziert, wenn es ums Nacktsein geht? fragte sie sich. Das erste Mal war mit Mac gewesen, dersich prompt übergeben hatte. Jetzt verstand sie, warum, aber damals war ihr Herz in tausend Stücke zerbrochen. Dann war da noch Evan gewesen – das völlige Gegenteil von Mac. Ein schmächtiger Bücherwurm, der zwar nicht halb so gut ausgesehen hatte, aber lieb gewesen war. Er hatte Jill zum Lachen gebracht und war zärtlich und romantisch gewesen. Im Grunde der perfekte Freund. Sie waren knapp achte Monate zusammen gewesen, ehe sie beschlossen hatten, ihre Beziehung auf das „nächste Level“ zu heben.
Sie hatte sich vor ihm ausgezogen, und er hatte sie nur ein Mal angesehen, ehe er ihr verkündet hatte, dass er schwul sei.
Solche Erlebnisse mussten die weibliche Perspektive auf die Welt doch einfach verändern. Dann war drei Jahre später Lyle dahergekommen. Er war sexuell an ihr interessiert gewesen und hatte beim Anblick ihres unbekleideten Körpers weder eine unfreiwillige körperliche Reaktion gezeigt, noch eine Erleuchtung gehabt, die zu einer essenziellen Veränderung seines Lebenswandels geführt hatte. Sie war ihm so dankbar gewesen, dass sie beschlossen hatte, verliebt zu sein.
Im Rückblick war die Folge der Ereignisse so klar, doch damals hatte sie gemeint, ihn wirklich zu lieben. Und was noch viel schlimmer war: Sie hatte hart an einer Ehe gearbeitet, die zum Scheitern verurteilt gewesen war. Und sie hatte für ihn gekocht. Was das anging, war sie noch immer verbittert. Wenigstens brauchte sie sich keine Gedanken mehr darüber zu machen, ob sie ihn liebte. Vermutlich war sie von Anfang an nicht mit ganzem Herzen bei der Sache gewesen. Und deshalb fiel es ihr auch nicht besonders schwer, die Scherben aufzusammeln.
Emily rieb die Hände
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