Schönesding!
es Bio-Läden mit Bio-Obst und Bio-Fleisch und gesunden Bio-Körnern. Trotzdem rauchten die Leute wie die Schornsteine. Das schien für sie kein Widerspruch. Wie auch! Sie rauchten ja gesund: Bio-Blättchen ohne Bleichmittel. Und Tabak ohne Konservierungsstoffe.
In Ordnung, die Leute fühlten sich hier also ein bisschen unbeobachtet. In ihrer eigenen kleinen Welt, in die von außen ziemlich wenig eindrang. Aber erst auf dem Weg vom U-Bahnhof Eberswalder Straße zu Helmuts Schwester ahnte ich, dass es bei diesem Essen handfesten Ärger, Zunder geben würde, richtigen Kattun, verstehen Sie?
Ich stand mit Felder, wie gesagt, vor einer regulären Mietskaserne in der Raumerstraße, fünfzig Meter vom Helmholtzplatz, dem Auge des Prenzlauer Orkans. Gemütlich ratterten die Autos hier über das Kopfsteinpflaster, und der würzig-wohlige Geruch von kohlegefeuerten Kachelöfen lag in der kühlen Abendluft. Von irgendwoher drang das Läuten einer Kirchenglocke. Den Geruch nach Lebkuchen und Esskastanien habe ich mir aber wohl nur eingebildet.
Das Haus selbst war schlicht weiß gestrichen, mit hohen Fenstern und breiten Balkonen. Das einzige Zeichen, dass hier vielleicht nicht alles so war wie woanders, waren Bastmatten an den Balkon-Gittern, wo im Sommer nützliche Insekten ihre Heimat finden würden. Ansonsten sah ich nichts Verdächtiges.
Aber ich kannte natürlich Felder und spähte vorsichtshalber nach Dingen, die seinen Anstoß erregen könnten. Man muss ja alert sein und Hindernisse aus dem Weg räumen, bevor andere sie sehen, anstatt zu reagieren, wenn es schon zu spät ist.
Erst als wir schon geklingelt hatten und schon auf das Summen des Türöffners warteten, fiel Felders Blick auf den Laden, rechts neben dem Hauseingang.
„Nein, schau dir das an! Das glaub ich nicht!“ Felder lockte mich mit seinem Zeigefinger.
„ Felder, bitte! Komm jetzt... Ah, Helmut?“
„ Ihr müsst in den obersten Stock. Vorderhaus.“
„ Gut, ist in Ordnung.“
„ Nein, komm erst mal. Das musst du sehen.“
Felder!
„Helmut, tut mir leid, gib uns noch ne Minute.“
„ Was gibt's?“
„ Wir müssen noch das Auto parken.“
„ Nein, das kann doch nicht wahr sein.“ Das war wieder Felder. Er war schon ganz in die wilde Welt dieses Schaufensters eingetaucht.
„ Lange Geschichte. Wir kommen gleich. Ich klingle noch einmal.“
„ Ist gut.“
Ich wendete mich Felder zu. „Was gibt's denn?“ Mein Unwillen war deutlich zu hören.
Felder fuhr aufgeregt mit der Nase am Schaufenster entlang wie ein Fensterputzer. Er hatte etwas entdeckt. Soviel war klar.
„ Hier, das musst du sehen.“ Felder zeigte auf einen Prospekt, der von innen ans Schaufenster geklebt war. „Irgendwie war es ja klar. Sie hassen ja Körperpflege. Es musste ja kommen. War eigentlich nur ne Frage der Zeit.“
Ich ging hin. Auf dem Prospekt las ich: Misvak – die gesunde Alternative zur Zahnbürste, reines Naturprodukt, desinfizierend, karies- und parodontose-hemmend, natürliche Mineralisierung, schonende Reinigung, keine Zahncreme notwendig, umweltschonend.
Daneben war ein Stöckchen abgebildet, offenbar eben jener beworbene Misvak.
„Was ist daran so schlimm?“ Ich sah irgendwie den Affront nicht.
„ Falsche Frage. Richtige Frage: Was ist eigentlich so schlimm am Zähneputzen?“ Das galt mir.
„ Keine Ahnung. Ich habe kein Problem damit, du?“
„ Ich nicht. Aber andere anscheinend schon!“
Felder erklärte dann, eben jener Misvak sei der Zweig eines Baumes, meistens des Arak-Baumes. In Nahen Osten und Afrika wurde er benutzt, um sich die Zähne sauber zu machen. Von Leuten, die sich keine Bürste und Zahnpasta leisten konnten.
„Können wir jetzt?“
„ Noch nicht ganz. Schau dir das an.“ Felder zeigte auf einen rauen, braunen Block. Sah ein bisschen aus wie ein Stein. Vielleicht ein geschnittener Stein, wo was reingraviert war.
Aleppo-Seife - ohne Tierversuche stand auf einem Schild darunter. Kein Wunder, dachte ich. Über welches Tier wollten sie den Stein denn reiben?
„ Felder, in Ordnung, komischer Laden. Lass uns gehen!“
„ Und jetzt schau dir das an.“ Felders Finger war schon zum nächsten Ausstellungsstück gewandert. Ich war ihm dankbar, dass er das levitierte Wasser, die Wasserfilter und Wasserwirbler übersprang, die ich im Augenwinkel schon mit einiger Bestürzung wahrgenommen hatte. Ich hatte schon händeringend nach etwas gesucht, was ich zu ihrer Verteidigung sagen konnte, hatte aber noch nichts
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