Schönesding!
der Monolith sei ein Symbol für die Kinoleinwand.
Das konnte Friedrich natürlich nicht unkommentiert lassen. „Das ist doch völlig klar. Habt ihr gesehen, wie er immer im 90-Grad-Winkel zur Kamera stand. Das steht für die Verquerheit, ihre Sperrigkeit. Die Affen berühren sie im übrigen sieben Mal, und immer an der selben Stelle. Das ist wichtig.“
Doreens Hinweis, dass der Monolith im Buch durchsichtig und eine Art Loch in eine andere Zeit und Dimension sei, ignorierten sie.
„ Na klar, da kann man alles raufprojizieren“, wusste die Nebendarstellerin. „Sie steht in den Raum wie aus einer anderen Welt. Habt ihr gesehen?“
„ Exakt. Schwarz. Die Farbe des Nichts. Der Leere. Die Leinwand, auf der der Künstler schaffen kann. Schon der Urzeitmensch kämpft mit Gott.“
Der Existenzialist griente.
So ging das gute vier Stunden. Wenn zwei Raumschiffe aneinander andockten, sahen sie eine Kopulation - was bei der „flagranten Sexualisierung der Maschinen“ in dem Film ja auch kein Wunder war. Als einer der Astronauten aus seiner Kapsel in die Raumstation geschossen wurde, eine Geburtsmetapher. „Da war er“, sagte Doreen. „Der rote Geburtskanal, und dann schnappt der Astronaut nach Luft, so als ob er erst einen Klaps auf den Hintern brauche, bis er atmen kann.“
In dem Umgang der Astronauten miteinander auf dem Raumschiff, sahen sie dagegen die „Dysfunktionaliät der heutigen Kleinfamilie“; an der Fehlfunktion des Bordcomputers HAL, dass der Philosophenkönig Platons seine Schuldigkeit getan hat; in der Stargate-Sequenz, einer psychedelisch-bunten Bilderfolge von öden Wüsten-Landschaften - „man ist in seinen Kinositz gefesselt, der Sehzwang-Voyeurismus ist für jeden erfahrbar“, und Kubricks „masochistisch geprägte“ Persönlichkeit, die „sadistisch konnotiert“ war. Für jeden war das deutlich zu sehen – so „psychoanalytisch betrachtet“.
Und der Existenzialist griente und griente.
Mich störte weniger das Gerede an sich, als das nicht abzuschüttelnde Gefühl, dass ich dort saß, weil meine Kommilitonen ein Publikum brauchten für ihre Einsichten. Dass sie sich hier ausprobierten, bevor sie sich an ein anderes Publikum wendeten, Erwachsene.
Als ich Felder von dem Seminar erzählte, war er wieder gleich auf und davon.
„ Was hast du gedacht, wo sie ausgebrütet werden? An der Uni natürlich! Das weiß man doch.“
„ Wer wird an der Uni ausgebrütet?“
„ Na, die Feuilletonschabracken!“
„ Die wer?“
„ Die Feuil-le-ton-scha-brak-ken.“ Felder betonte jede Silbe einzeln. Als hätte ich ihn nicht verstanden.
Feuilletonschabracken – das, stellte sich jetzt heraus, war wieder ein Felder. In andern Ländern, so schien es, hatten die Zeitungen nämlich einfach Leute vor Ort, die einem schlicht berichteten, was dort passierte. Während die besagten Schabracken einen im deutschen Feuilleton seitenlang in Hochlokalesisch vom Heimatschreibtisch aus mit den Einsichten zur Lage vollschwabbelten. Ja, so waren sie.
Die Feuilletonschabracken! Ich hätte nur die Warnzeichen lesen müssen. Das Essen mit Helmut konnte nicht gut gehen.
Aber, wie gesagt, Helmut war ganz in Ordnung. Und nach dem Seminar hatte er mich zu einem Abendessen eingeladen. Die anderen kämen auch, sagte Helmut. Und ich solle doch auch jemanden mitbringen. Ich sagte zu.
Ein paar Tage später standen Felder und ich vor einer alten Mietskaserne in der Raumerstraße, ein paar Schritte vom Helmholtzplatz. Dort wohnte Helmuts Schwester Anna zusammen mit ihrem Mann Karl-Heinz und ihren Kindern. Denn dort fand das Essen statt. Dort war einfach mehr Platz, sagte Helmut.
Ich hatte mich auf das Essen gefreut. Zum ersten Mal waren Felders und meine Rollen vertauscht. Diesmal war ich es, der ihn herumführte, und er war mein Gast. Heute würde ich ihn einmal in meine Welt werfen und beobachten, wie er beobachtete.
Ich war vorher schon ein paar Mal im Prenzlauer Berg. Um zu bummeln, um auf den Wochenmarkt zu gehen und um in einem Straßencafé zu sitzen. Zugegeben, die Leute dort ließen sich ein bisschen gehen. Wo andere Leute zum Haare schneiden gingen, gab man sich hier die Ehre bei fine & dandy – The Beauty Department, Männer & Gentlemen, Preise & Prices .
Wo andere Leute Süßigkeiten kauften, ging man hier zur Schokoladen-Manufaktur - Schokolade handgeschöpft. Und wo andere Leute zur Fritten-Bude gingen, suchte und fand man hier eine Currywurst, inszeniert vom Restaurant Kaulmann.
Überall gab
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