Schönesding!
man muss alles durchsprechen. Wer muss das? Und wem hilft das?“ Hörte ich da Felder raus?
Ich verstand, was Hubsi meinte. Aber ich wollte es eigentlich ja auch nicht durchsprechen. Ich wollte es hören. Es hat mich einfach interessiert.
Also sagte ich: „Eigentlich hast du recht. Ich kann dir nicht helfen, will ich auch gar nicht, sollte ich auch gar nicht wollen. Es interessiert mich einfach. Erzähl es mir als interessante Geschichte, als interessante Erfahrung.“
„ Na gut.“ Hubsi schlug die Beine unter und lehnte sich zurück. „Na gut. Aber ich muss ein bisschen zurückgehen. Ich erzähl es dir von Anfang an, sonst kannst du es nicht verstehen.“
„ Ich hab Zeit.“
„ In Ordnung. Also zuerst musst du wissen, dass ich als Kind lange gebraucht habe, bis ich Sprechen gelernt habe. Viel länger als andere. Ich hab auch ein bisschen gestottert. Bis ich in die Schule kam, verstehst du?“
Ich hatte es bisher vermieden ihn direkt anzuschauen, um ihn nicht nervös zu machen, aber jetzt erwiderte ich seinen Blick. Er senkte die Augen.
„Sprechen war für mich also immer..., na ja, lang auf jeden Fall, ein bisschen was Besonderes. Für mich war es nicht selbstverständlich, meine ich, verstehst du?“
Ich grunzte: „Nicht selbstverständlich, ich verstehe.“
„Auf jeden Fall... Ich hatte lange Sprechtraining, auch noch in der Schule, teilweise war es auch Gesangsausbildung. Das hilft, weißt du, richtig zu atmen und so was. Ich war auch ganz gut. Dachte ich zumindest.“
„ Na, das kann ich mir vorstellen. Du hast auch eine angenehme Stimme. Hat was beruhigendes.“ Das stimmte. Hubsis Stimme war angenehm tief und wenig moduliert, mit wenigen Ecken und Kanten, das hilft. Vielleicht kam das ja von der Ausbildung.
„ Danke.“ Hubsi lächelte. Zum ersten Mal wirkte sein Lächeln natürlich, nicht vor dem Spiegel geübt.
„ Ich habe immer gern gesungen. Im Bad, zum Radio, zu meiner Gitarre, auch wenn ich irgendwann keinen Gesangsunterricht mehr hatte und auch kein Sprechtraining. War einfach nicht mehr nötig. Kostet ja auch ne Menge Geld.“
„ Na ja, klar, kann man sich ja vorstellen.“
„ Ich war mit ein paar anderen inner Band. Und als das mit den Superstars anfing, waren wir natürlich gleich dabei.“ Scheuer Blick zu mir. Dann: „Wir sind mit ein paar Leuten zur Vorauswahl gefahren. Eigentlich erst nur aus Scheiß. Na ja, klar, keiner wollte zugeben, dass es ihm wichtig war. Aber jeder hätte natürlich gerne gewonnen.“
Ich hatte Hubsi nicht so eingeschätzt, dass er das wollte. Aber dann haben Leute ja die verschlungensten Strategien das zu bekommen, was sie wollen.
„Und wie war das so?“
„ Das war total verrückt. Es war im Hotel Interconti in Frankfurt. Ein Wahnsinnsauflauf. Schon als wir hinkamen, reichte die Schlange fast bis zur Baseler Straße. So was habe ich noch nie erlebt. Und da war eine tolle Atmosphäre, wie bei einer Party. Jeder versuchte seine beste Seite rauszukehren. Am nächsten Tag, wusste ich, muss ich wieder in die Schule. Dann ist das alles wieder weg. Die ganze Atmosphäre. Nur wieder die schlecht gelaunten Typen. Das war total komisch.“
Ich stellte mir Hubsi vor in der Schlange. Mit seiner Gitarre...
„Das war die Vorausscheidung. Es lief so, dass wir alle in vier Gruppen eingeteilt wurden. Jede Gruppe bekam eine Farbe. Ich war zusammen mit Fello, einem Typen aus meinem Englisch-Leistungskurs. Das war eigentlich total gut. Na ja, eigentlich war es überhaupt nicht gut, aber das wusste ich da noch nicht. Na ja, auf jeden Fall waren wir in derselben Gruppe, und wir sangen alle bei demselben Typen, einem RTL-Redakteur.“
Hubsi fixierte einen Punkt in der Kante zwischen Decke und Wand. Als wende er sich an eine höhere Macht.
„Wenn du gut warst, wenn du durchkamst, wurdest du zur nächsten Runde eingeladen. Fello und ich waren gut. Der Gesangsunterricht hatte sich bezahlt gemacht. Wir waren so aufgeregt. Ich erinnere mich, wie wir im Zug saßen und Pläne schmiedeten, was wir alles anders machen würden, wenn wir in die Endrunde kommen. 'Ich singe was von Kraftwerk!', sagte Fello. 'Die werden sich umschauen.'“
Obwohl das, was Hubsi erzählte, ein paar Jahre zurücklag, war es schwer sich vorzustellen, wie er sich damals so arglos in diesen Trubel stürzte. Nun war er nicht mehr dieser unbedarfte Junge. Zwischen damals und heute lagen lange Nächte der Selbstzweifel, mehr als drei Jahre Schweigen. Das merkte man.
„Zwei Tage später
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