Schoenhauser Allee
einer sehr hohen Rechnung bekam.
Vielen Dank für Ihre Interesse an unseren Produkten. Die deutsche Wurlitzer GmbH und Elvis Presley Enterprises gratulieren Ihnen zu einem tollen Einkauf. Sie haben die richtige Wahl getroffen: ein einmaliges Erzeugnis zum außergewöhnlich günstigen Preis: Die ONE MORE TIME ELVIS MASCHINE in limitierter Auflage, handsigniert von unserem Geschäftsführer – im original Elvis-Schriftzug. Die weiße Schleiflacklackierung, die samtblaue Lautsprecherbespannung sowie die goldfarbenen Zierelemente mit Elvis-Motiven stehen symbolisch für die nostalgische Zeit des Rock 'n' Roll.
Bestückt mit 120 Elvis-CDs und einem 400-Watt-Verstärker kann die ONE MORE TIME ELVIS MASCHINE bis zu 1200 Songs gleichzeitig abspielen, die aber auch über eine Infrarot-Elvis-Bedienung angewählt werden können. Sechs integrierte Lautsprecher sorgen für den echten Elvis-Sound rund um die Uhr. Spezielle Elvis-Zusatzlautsprecher sind ebenfalls als Zubehör erhältlich. Gewicht: 157 Kilo.
Ich schaute meinem Nachbarn nachdenklich in die Augen. Ist er nun völlig durchgedreht, oder hat man den Mann ganz einfach reingelegt?
»Hast du das Ding etwa bestellt?«, fragte ich ihn und zeigte auf die kleine Zeichnung, auf der eine Musikbox im Form eines dicken Mannes mit dem Kopf von Elvis Presley abgebildet war. Mein Nachbar verstand mich aber nicht.
»Kennst du diesen Mann?«, fing ich noch einmal an und zeigte auf den Kopf von Elvis.
»Ja«, sagte Herr Wan Dong. »Ja, ja, ja.«
Ich hatte es geahnt, schon in der ganzen letzten Zeit hatte mit dem Kerl irgendwas nicht gestimmt. Er hatte sich einen dicken Ohrring besorgt und eine goldgelbe Jacke gekauft. Vielleicht hatte Wan Dong das falsche Gemüse in seinem Laden gegessen?
»Ja, ja, ich kenne den Mann«, sagte Herr Wan Dong noch einmal. »Das ist doch Peter, der Barmann aus der Schwulen-Kneipe von nebenan. Aber was will er von mir? Hat er etwa Geburtstag?«
»Nein«, sagte ich, »Wan, du irrst dich. Das ist nicht Peter aus der Kneipe nebenan, das ist ein ONE MORE TIME ELVIS PRESLEY-Musikautomat, den du bei der Firma Deutsche Wurlitzer GmbH bestellt hast.«
»So?«, wunderte sich Herr Wan Dong. »Und was soll ich jetzt damit machen?«
»Entweder du schmeißt diesen Brief und die Rechnung in den Müll, wie alle es hier tun, oder du kaufst das Ding wirklich«, sagte ich, »und dann gibt es ganz viel Rock 'n' Roll in unserem Haus, dann tanzen wir.«
Multihaus
Die allein stehende Frau mit dem schwarzen Pudel, die Zigeunerröcke trug und lange dünne Zigaretten rauchte, ist ausgezogen. Kein Theater mehr im Treppenhaus. Jedes Mal, wenn wir uns zufällig dort begegnet waren, hatte sie mir so geheimnisvoll zugelächelt, als ob wir eine Affäre miteinander hätten. Doch genauso hatte sie auch die Vietnamesen aus dem Gemüseladen angeschaut, wenn sie im Erdgeschoss einkaufen ging. Diesen so genannten »Orgasmusblick« hatte ich oft bei Theaterleuten beobachtet. Nun ist die Frau weg.
Zweimal musste der Lkw hin- und herfahren. Übrig blieb eine von ihrem Pudel zum Teil zerfetzte tropische Pflanze in einem Tontopf, ein altes Poster mit einem mir gänzlich unbekannten Musiker in einer unmöglichen Pose, eine Chromnickelstahl-Stehlampe mit einem gelben Plastikschirm und eine Pappkiste mit Küchengeschirr. Das alles stand als eine Art Installation zum Thema »Großstadtmüll« im Hinterhof unseres Hauses und ließ mich jedes Mal an solch unangenehme Dinge wie Verfall, Verwüstung, Leiden und Tod denken.
In die leere Wohnung zogen sofort die Vietnamesen ein. Sie expandierten. Die Familie aus dem Gemüseladen hatte schon immer eine Wohnung direkt über uns gehabt. Die Besitzer des Textilgeschäfts im Haus nebenan, die mit dem lustigen Spruch »Textilien: billig und günstig« warben, wohnten nun direkt unter uns.
Ich kenne sie bereits. Früher saßen sie ständig auf drei Stühlen vor ihrem Geschäft, tranken Tee und taten nicht einmal so, als ob sie die sechshundert Badelatschen in der Auslage wirklich verkaufen wollten. Von den zwölf Wohnungen in unserem Haus sind nur noch vier an Deutsche vermietet: Da ist der dicke alte Mann im ersten Stock, der jeden Tag an der Haltestelle vor dem Haus sitzt und scheinbar auf die Straßenbahn wartet, aber niemals wegfährt. Dann die Motorradfrau, eine sportliche Dame, die ihr Motorrad mit in die Wohnung nimmt. Außerdem die ganz alte Mieterin neben uns, die uns für Bulgaren hält, und jedes Mal mit mir über Sofia reden will, obwohl
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