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Schoenhauser Allee

Titel: Schoenhauser Allee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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ich ihr schon mehrmals gesagt habe, dass ich dort noch nie gewesen bin. Und dann ganz oben im Dachgeschoss ein Mann ohne Alter, mit dem Gesicht eines Massenmörders und einer kolumbianischen Frau. Zwei Wohnungen haben die Asiaten: Das sind die Badelatschenvietnamesen und die Gemüseladenvietnamesen. Dazu gibt es noch die Russen, eine islamische Gruppensexfamilie im oberen Stock und die Latino-WG.
    Was unser Haus von den anderen unterscheidet, ist sein ganz besonderer Geruch. Ich würde sogar behaupten, es ist ein einmaliger Geruch. Am besten kann man ihn so gegen drei Uhr riechen. Wenn die Vietnamesen von oben und die von unten anfangen, ihren angefaulten Fisch zu frittieren, die alte Dame von nebenan ihre Kohlsuppe auf den Herd stellt, die Türken ihre Lammbrocken braten und die Latinos mit »Guantanamera« für die musikalische Begleitung des Mittagessens im Haus sorgen.
    Neulich bekam ich einen Anruf von der »Abendschau«, und ein Journalist erkundigte sich höflich, ob er mit einem kleinen Fernsehteam bei mir zu Hause vorbeischauen dürfte: »Wir brauchen dringend für morgen irgendetwas zum Thema ‘Russen in Berlin’.«
    »Was ist denn passiert?«, fragte ich.
    »Na ja, der russische Präsident kommt nach Deutschland, und überhaupt... Wir kommen um drei und verschwinden wieder um vier.«
    Schnell und schmerzlos sollte es sein, versprach mir der Journalist. Ich bin inzwischen schon fast ein Profi auf diesem Gebiet geworden und kann sogar im Schlaf eine klare Einschätzung zum Thema »Russen in Berlin« abgeben. Das Fernsehteam kam um drei – genau rechtzeitig zum Mittagessen. Der Kameramann wurde sofort aschgrau im Gesicht und musste sich die ganze Zeit ein Taschentuch vor die Nase halten. Der Journalist war mutig.
    »Haben Sie eine Leiche in der Wohnung?«, fragte er mich.
    »Nein«, antwortete ich, »so riecht unser Haus mittags immer.«
    »Und woher kommt das?«
    »Das ist Multikulti!«, sagte ich verlegen.
    »Hochinteressant«, röchelte der Journalist.

Marinas Geburtstag
    Unsere Freundin Marina feierte ihren Geburtstag. Diese Gelegenheit nutzte sie, um ihrem neuen deutschen Freund Manfred ihre zahlreiche Verwandtschaft vorzustellen. Vitalik, Marinas erster Ex-Ehemann und Vater von Marinas Tochter, war extra aus Kiew mit Glückwünschen angeflogen. Auch ihr zweiter Ex-Ehemann, wegen dem sie vor zehn Jahren den ersten verlassen hatte und mit dem sie von Kiew nach Berlin übergesiedelt war, war auf der Geburtstagsfeier anwesend, zusammen mit seiner ersten Ex-Ehefrau und deren Tochter, die er damals in Kiew wegen Marina sitzen gelassen hatte. Inzwischen wohnen diese beiden Frauen in Hannover. Eingeladen und erschienen war auch: der neue Mann der zweiten Ex-Ehefrau von Marinas zweitem Ex-Ehemann; der ältere Sohn des ersten Ex-Ehemannes mit seiner Mutter – der ersten Ex-Ehefrau des ersten Ex-Mannes von Marina – aus Kiew; und der neue Freund der zweiten Ex-Ehefrau von Marinas zweitem Ex-Ehemann aus Hannover.
    Alle hatten einander schon lange nicht mehr gesehen, sie umarmten sich und küssten sich herzlich. Auf Manfred reagierten die Russen zuerst gar nicht. Vitalik, der erste Ex-Ehemann von Marina, wirkte rührend. Mit Tränen in den Augen öffnete er die zahlreichen Wodkaflaschen, eine nach der anderen, schüttelte den Kopf und sagte zu jedem: »Das Schicksal war hart zu uns, nicht wahr?« Der zweite Ex-Ehemann von Marina, ein Computerspezialist, bot allen an, neue Programme in ihren Computern zu installieren – natürlich gratis.
    Die angereiste Verwandtschaft besprach ein wichtiges Thema: Seit Jahren versuchten sie den zweiten Ex-Ehemann der ersten Ex-Ehefrau des zweiten Ex-Ehemanns von Marina nach Deutschland zu holen, aber es hatte bisher nie geklappt. Er war seinerzeit allein in Kiew geblieben und lebte seitdem bei seiner alten Tante, die ihn bis heute versorgte. Er sei arbeitslos und würde die ganze Zeit vor der Glotze verbringen, berichtete die Tochter der ersten Ex-Ehefrau des zweiten Ex-Ehemanns von Marina, die ihn gerade in Kiew besucht hatte. Der Mann musste gerettet werden, doch eine Familienzusammenführung kam nicht in Frage: Die erste Ex-Ehefrau aus Hannover konnte ihren Ex-Ehemann unmöglich noch einmal heiraten. Außerdem war sie bereits mit einem anderen verheiratet. Möglich wäre jedoch, dass Marina, die gerade mal wieder unverheiratet war, den Mann aus Kiew heiratete. Der wollte aber nicht alleine kommen: »Nicht ohne meine Tante, sie ist alt und kann das Leben in Kiew allein

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