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Schoenhauser Allee

Titel: Schoenhauser Allee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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angeboten.
    »Was ist im ‘Hannibal’ eigentlich drin?«, fragte ich den Barkeeper, einen großen älteren Mann, der immer etwas müde wirkt und dem amerikanischen Sänger Johny Cash ähnlich sieht.
    »Canadian Rum, Zitronensaft, Puderzucker«, seufzte er. »Und ein bisschen Hirn«, fügte er nach einer langen Pause hinzu.

Kriminelle Aktivitäten auf dem U-Bahnhof Schönhauser Allee
    Am U-Bahnhof Schönhauser Allee versammeln sich ständig verdächtige Personen. Sie sehen so aus, als ob sie gerade eine Straftat planen würden oder bereits eine begonnen hätten und nun auf der Flucht wären. Sie laufen nervös hin und her, schauen ständig auf die Uhr und rauchen pausenlos. Viele sehen auch selbstmordverdächtig aus. Sie stehen am Rand des Bahnsteigs und beobachten aufmerksam die unter tödlichem Strom stehenden Schienen. Zum Glück kommt alle fünf Minuten ein Zug und entführt dieses scheinbar kriminelle Publikum ins Grüne und Richtung Ruhleben. Dort brauchen sie nichts zu befürchten. Auf diese Weise wird immer wieder eine beruhigende Bahnsteigökologie hergestellt.
    Ich benutze diese Linie jeden Tag und muss leider feststellen, dass diese harmonische Beziehung zwischen den Zügen und den Kriminellen nicht immer funktioniert. Manche steigen in den Zug gar nicht ein, und manche steigen aus dem Zug nie aus. Wie kann man sonst die Tatsache erklären, dass ich drei Tage hintereinander zu den verschiedensten Tageszeiten jedes Mal mit denselben vier Typen zusammen in einem Abteil hin- und zurückfuhr? Das Ganze sah aus wie eine dreitägige Theatervorstellung an der Volksbühne. Du kannst in die Kantine gehen ein Bier trinken, oder gar erst am nächsten Tag zurückkommen – die Schauspieler sind immer noch da. Genauso war es auch im Zug. Den einen, einen ganz harmlosen, kenne ich bereits eine Weile. Das ist der Typ, der immer die Stationen nachplappert und »Zurückbleiben!« ruft. Der Arme hat sich irgendwann eingeredet, er sei ehrenamtlicher BVG-Mitarbeiter und müsste nun den Passagieren helfen, indem er die unverständlichen Ansagen, die vom Band kommen, wiederholt. Manchmal kommentiert er auch auf unkonventionelle Weise den einen oder anderen Namen der jeweiligen U-Bahn-Station.
    Mein zweiter ständiger Begleiter ist ein betrunkener Türke in einem schicken Ledermantel, der alle verspotten will. Und dann noch ein kleines Mädchen mit einem riesengroßen Hund, das ständig mit der Leine um sich schlägt und »Sitz!« schreit. Schließlich noch der Obdachlosenzeitungsverkäufer Martin, der besonders viel Wert darauf legt, dass alle seinen Namen wissen. »Ich bin der Martin«, fängt er immer an, wenn ein neuer Fahrgast einsteigt, als ob das an der Sache irgendetwas ändern würde. Manchmal denke ich, das Quartett arbeitet zusammen. Es ist ein klassisches Team. Nur, worauf sie hinauswollen, ist bis jetzt noch unklar. Der Türke verspottet alles und jeden, der Martin sammelt Geld, das Mädchen passt auf, dass sich keiner im Abteil bewegt, und der Verrückte informiert uns über den aktuellen Stand der Reiseroute. Sie sind ganz deutlich ein Team.
    Manchmal improvisieren sie auch urplötzlich eine kleine Auseinandersetzung. Neulich nahm beispielsweise der Türke den Martin aufs Korn. Jedes Mal, wenn der Zeitungsverkäufer zu reden anfing, wurde der Mann im Ledermantel laut und machte spöttische Bemerkungen in seine Richtung.
    »Halts Maul«, hustete schließlich das kleine Mädchen mit dem Hund den Türken an. »Meinst du, der macht das aus Spaß? Kuck dir den Mann an, er hungert. Und du Arschloch hast kein Gewissen.«
    Der Türke stand auf und ging zu Martin rüber. »Wie viel haste von dem Zeug?«, fragte er ihn.
    »Fünfundzwanzig Stück«, antwortete Martin.
    Der Türke holte 50,– DM aus der Hosentasche und kaufte ihm den ganzen Stapel ab. Danach drehte er sich um und sagte laut: »Guten Tag, ich bin der Mehmet und nun kriegt jeder eine Zeitung umsonst!«
    Zum Glück musste ich gerade aussteigen.

Auf der kurzen Welle
    Von den Rundfunkempfängern, die in Geschäften heutzutage angeboten werden, hat kaum noch einer den Kurzwellenbereich. Das ist auch verständlich, denn wer braucht so etwas noch? Man würde ja doch nur das Rauschen des Weltalls und irgendeine
Voice of Ireland
auf Chinesisch hören, noch dazu verzerrt und völlig unverständlich. Nur die Außerirdischen und ich hören gerne die Nachrichten im Kurzwellenbereich. Die Außerirdischen, wenn es sie überhaupt gibt, müssen die kurze Welle mögen, weil

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