Schoenhauser Allee
ihre Werke vortragen, außerdem sind eine Theaterperformance, ein Film und eine Musikgruppe angekündigt. »Ich mag die Symbiose nicht«, fängt meine Frau im Vorfeld schon an zu meckern. Sie mag die Symbiose nicht! Wer mag so etwas schon! Wir gehen trotzdem hin. Der Weg ist nicht weit, die Galerie befindet sich in der Nähe auf der Schönhauser Allee. Als das Haus vor zwei Jahren renoviert wurde, zog im Erdgeschoss zuerst eine Bäckerei ein, später eine kleine Pizzeria, danach ein Schuhgeschäft mit tollen Angeboten. Danach stand der Laden eine Weile leer, bis die schicke Galerie mit den internationalen Beziehungen sich dort breit machte. Ganz im Sinne der modernen Zeit.
Wir sind zu früh. Das Geschäft ist noch leer, nur die Künstlergruppe »Renata« und ein paar ältere Herren sind schon da. Auch die Bilder hängen schon – große Bilder mit grünen Männern, die Hühnerbeine haben, und Frauen, die auf der Flucht sind. Ferner sieht man umgekippte Möbel und tote Vögel. Das Leben als Verlust eben. Ein alter Herr benutzt seine leere Bierflasche als Monokel. Er hält sie vors Auge und kuckt sich damit die Bilder an. Man erkennt sofort den Profi. Ich nehme mir auch eine leere Bierflasche, stelle mich neben ihn und versuche die Bilder aus seinem Blickwinkel zu betrachten, merke aber keine Veränderungen. Nur die Männer auf dem einen Bild sind noch grüner geworden. Um elf Uhr kommen plötzlich alle: die Künstler, die Autoren, die Filmemacher, die Bildhauer, die Schauspieler – viele mit ihren Kindern, Frauen, Eltern und Hunden. Hände schütteln, Beziehungen knüpfen, tanzen und trinken, das künstlerische Dasein genießen. Die Künstlergruppe »Renata« als Gastgeberin freut sich über jeden Gast und schüttelt alle Hände. In einer Ecke findet eine Lesung mit anschließender Performance statt.
»Jung ist die deutsche Literatur geworden«, sagte ein alter Künstler mit Trinkernase. »Jünger denn je. Und der Knirps mit den Hosenträgern? Wessen Sohn ist das? Ach, auch ein Schriftsteller? Er sieht aber sehr jung aus. Erst zwölf? Und schon zwei Romane geschrieben?«
»Ich war so dumm!«, sagt eine schöne Dame in schwarzem Kleid mit einem Rotweinglas in der Hand und einer Rose im Haar. Sie lehnt an einem Schreibtisch und regt sich auf. »Warum nur habe ich mich jahrelang mit diesem langweiligen Schinken befasst? Das Selbstbewusstsein der Frau! Ohne jeden Sinn für Humor! Wissen Sie, worüber ich meinen letzten Roman geschrieben habe?«, fragt sie eine glatzköpfige Filmemacherin im Männeranzug. »Über Schmerz. Oh, Gott, ein Roman über den Schmerz! Ist es zu fassen?«
»Dafür haben Sie aber eine sehr schöne Frisur. Wo haben Sie sie her?« Die Stimme der Kahlen klingt neidisch.
»Ach, lassen Sie das, ich weiß nun, wie man schreiben muss: leicht, schnell, flüssig, die Wörter müssen nur so rollen. Als Nächstes schreibe ich einen Roman über Skateboarder.«
»Den gibt es schon«, erwidert die Kahle, »ich habe gerade ein Skript über Skatboarder verfilmt, aber sagen Sie doch mal, wer ist Ihr Friseur, ist das alles echt?« Plötzlich fährt sie mit beiden Händen in die Haare der Schmerzensfrau.
Die Autorin mit Rose springt zur Seite. »Lassen Sie meine Haare in Ruhe! Sind hier denn alle verrückt?«, fragt sie und geht zur Toilette, die seit über einer Stunde besetzt ist. Sechs Künstler aus Amerika, alles große Freunde von »Renata«, stehen vor der Klotür Schlange. »Wer ist eigentlich da drin?«, fragte eine alte Bildhauerin einen Musiker, der gerade mit seiner Gitarre unterm Arm vorbeikommt.
»Da drin?« Der Musiker presst sein Ohr an die Tür, hört ein undeutliches Gemurmel und grinst. »Das klingt ganz nach unserem Otto«, sagt er zu der Frau.
»Wer ist euer Otto?«, fragte einer der Amerikaner.
»Was hat dieser Otto so Tolles gemacht, dass er es sich erlauben kann, für mehrere Stunden das Klo zu besetzen?«
»Otto ist kein Künstler, das ist der Pitbull von Herrn Krüger«, erklärt der Musiker freundlich.
»Ich dachte immer, der Hund von Herrn Krüger heißt Uschi«, wundert sich die Bildhauerin.
»Ganz richtig, er hat ihn aber vor einer Woche umbenannt. Aber wie hat der Hund nur die Tür von innen verriegeln können? Vielleicht ist Otto mit jemand anderem da drin. Herr Krüger, sind Sie da?« Der Musiker klopft mehrmals an die Tür. Ein lautes Bellen ist die Antwort.
»Wer zum Teufel ist dieser Krüger?«, regt sich einer der Amerikaner auf.
»Er ist schon längst nach Hause
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