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Schönheit der toten Mädchen

Schönheit der toten Mädchen

Titel: Schönheit der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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von Prostituierten liegen bei Ihnen im Kühlraum?« fragte Fandorin scharf.
    Der Experte zuckte die Achseln.
    »Wie Herr Ishizyn angeordnet hat, bringt man uns jetzt alle Freudenmädchen, die sich endgültig ausgefreut haben. Außer unserer gemeinsamen Freundin Andrejitschkina wurden gestern und heute noch sieben angeliefert. Warum, wollen Sie sich an ihnen ergötzen?« Sacharow grinste. »Es sind Prachtexemplare darunter. Aber wohl nicht Ihr Geschmack. Sie bevorzugen doch Ausgeweidete?«
    Der Pathologe sah, daß sich der Beamte unwohl fühlte, und zog anscheinend daraus Vergnügen.
    »Z-Zeigen Sie sie mir.«
    Der Kollegienrat schob energisch den Unterkiefer vor und machte sich auf einen scheußlichen Anblick gefaßt.
    In dem großen Raum, in dem helle elektrische Lampen brannten, sah Fandorin als erstes Holzregale, vollgestellt mit Gläsern, in denen formlose Gegenstände schwammen, erst dann blickte er zu den zinkbeschlagenen rechteckigen Tischen. Auf einem Tisch am Fenster ragte ein schwarzes Mikroskop, da lag auch ein ausgestreckter Körper, an dem der Assistent hantierte.
    Fandorin warf einen flüchtigen Blick auf den Leichnam, sah, daß es ein Mann war, und wandte sich erleichtert ab.
    »Penetration des Scheitelbeins durch eine Schußwaffe,Jegor Williamowitsch, sonst nichts«, näselte der Assistent und starrte neugierig auf Fandorin – diese in Polizeikreisen und darüber hinaus fast legendäre Persönlichkeit.
    »Den haben sie von Chitrowka hergebracht«, erklärte Sacharow. »Einer von den kleinen Gaunern. Aber Ihre Hühner sind alle dort, im Kühlraum.«
    Er stieß die schwere Eisentür zum Kühlraum auf, aus dem ihnen Kälte und ein grausiger schwerer Gestank entgegenschlug.
    Ein Druck auf den Schalter, und an der Decke leuchtete eine matte Glaslampe auf.
    »Da liegen unsere Heldinnen, etwas abseits«, der Arzt wies dem versteinerten Fandorin die Richtung.
    Der erste Eindruck war gar nicht so schlimm: wie das »Türkische Frauenbad« von Ingres. Ein Gewirr nackter Frauenleiber, fließende Linien. Nur war der Dampf nicht heiß, sondern eisig, und alle Odalisken lagen, ohne sich zu rühren. Dann erreichten Details das Auge: lange tiefrote Schnitte, blaue Flecke, zusammengeklebte Haare.
    Sacharow tätschelte einer Frau, die wie eine Nixe aussah, die blaue Wange.
    »Nicht übel, was? Aus einem Bordell. Schwindsucht. Hier ist überhaupt nur ein einziger gewaltsamer Tod: Der Vollbusigen dort wurde mit einem Stein der Schädel eingeschlagen. Zwei Selbstmorde. Drei sind im Suff erfroren. Die werden alle hierher gekarrt. Der reinste Blödsinn. Doch was geht’s mich an. Ich krähe, aber ob’s hell wird, ist mir egal.«
    Fandorin beugte sich über ein mageres Mädchen, dessen Schultern und Brüste von Sommersprossen gesprenkelt waren. Er strich die langen rotblonden Haare aus dem qualvollverzerrten, spitznasigen Gesicht. An der Stelle des rechten Ohrs war ein kleines kirschrotes Loch.
    »Was sind denn das für Eigenmächtigkeiten?« wunderte sich Sacharow und warf einen Blick auf das am Fuß der Toten befestigte Kärtchen. »Marfa Setschkina, sechzehn Jahre. Ja, ich erinnre mich. Selbstmord mit phosphorhaltigen Zündhölzern. Die ist gestern gebracht worden. Aber da hatte sie noch beide Ohren, das weiß ich genau. Wo ist das rechte Ohr hingekommen?«
    Der Kollegienrat holte die Puderdose hervor, öffnete sie schweigend und hielt sie dem Arzt unter die Nase.
    Der nahm das Ohr mit ruhiger Hand und paßte es an das kirschrote Loch.
    »Das ist es! Was hat das zu bedeuten?«
    »Das hätte ich gern von Ihnen gewußt.« Fandorin hielt sich ein parfümiertes Taschentuch vors Gesicht, fühlte aufsteigende Übelkeit und sagte: »Gehen wir, reden wir draußen.«
    Sie kehrten in den Seziersaal zurück, der dem Kollegienrat jetzt ungeachtet der aufgeschnittenen Leiche beinahe gemütlich vorkam.
    »D-Drei Fragen. Wer war gestern abend hier? Wem haben Sie von der Ermittlung und von meiner Mitwirkung erzählt? Wessen Schrift ist das?«
    Fandorin legte das Einwickelpapier des »Päcksens« vor Sacharow hin und hielt es für nötig, hinzuzufügen: »Ich weiß, daß Sie das nicht geschrieben haben – Ihre Schrift kenne ich. Aber ich hoffe, Sie verstehen, was diese S-Sendung bedeutet?«
    Sacharow erbleichte und büßte offensichtlich die Spottlust ein.
    »Ich warte auf Ihre Antwort, Jegor Williamowitsch. Soll ich die Fragen w-wiederholen?«
    Der Arzt schüttelte den Kopf und schielte zu Grumow, der mit übergroßem Eifer etwas

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