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Schönheit der toten Mädchen

Schönheit der toten Mädchen

Titel: Schönheit der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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nicht zu kriegen, ich habe ein dickes Fell. Wer ist da gerade rausgegangen? War das nicht Wanka Stenitsch? Er hat die Fresse weggedreht. Als hätte ihm Burylin nicht genug zukommen lassen. Er hat sich nämlich auf meine Kosten in Europa herumgetrieben, hat sich von mir aushalten lassen. Ich hatte Mitleid mit dem armen Kerl. Aber er hat mir in die Seele gespuckt. Er ist vor mir aus England geflohen. Hat sich vor mir, dem Schmutzigen, geekelt, sich nach einem sauberen Leben gesehnt. Ach, was soll’s, ein verlorener Mensch. Kurzum, ein Psychopath. Haben Sie was dagegen, wenn ich eine Zigarre schmauche?«
    Die Fragen des Millionärs blieben unbeantwortet. Statt dessen stellte Fandorin eine Frage, die Wedistschew überhaupt nicht begriff.
    »Auf Ihrem Kommilitonentreffen war so ein Langhaariger, Abgerissener. Wer ist das?«
    Aber Burylin verstand die Frage und antwortete bereitwillig: »Filka Rosen. Er wurde zusammen mit mir und Stenitsch von der Fakultät geworfen, wegen besonderer Verdienste auf dem Gebiet der Unsittlichkeit. Er arbeitet im Pfandhaus. Trinkt natürlich.«
    »Wo ist er zu finden?«
    »Nirgends. Bevor Sie mich beehrten, habe ich ihm aus Blödheit fünfhundert Rubel in den Rachen geworfen – bin in Erinnerung an alte Zeiten schwach geworden. Jetzt taucht er erst wieder auf, wenn er die letzte Kopeke versoffen hat. Vielleicht zecht er in einer Moskauer Kneipe, vielleicht in Petersburg oder in Nishni Nowgorod. So ist er nun mal.«
    Diese Mitteilung verdroß Fandorin außerordentlich. Er sprang sogar auf, zog seine grüne Perlenkette aus der Jackentasche und steckte sie wieder weg.
    Der Breitgesichtige beobachtete das merkwürdige Verhalten des Beamten mit Neugier und zündete sich eine dicke Zigarre an. Die Asche ließ der Frechling auf den Teppich fallen. Aber Fragen stellte er nicht mehr, sondern wartete.
    »Sagen Sie, warum wurden Sie, Stenitsch und Rosen gefeuert, während Sacharow nur in die Pathologie versetzt wurde?« fragte Fandorin nach einer längeren Pause.
    »Das hing davon ab, was jeder angestellt hatte.« Burylin lachte auf. »Sozki, der größte Heißsporn von uns, wurde zum Häftling geschoren. Schade um den Mann, er war erfinderisch, aber eine Bestie. Mich wollten sie auch einbuchten, doch das Geld hat mich davor bewahrt.« Er zwinkerte Fandorin übermütig zu und stieß Rauch aus. »Die Studentinnen, unsere lustigen Freundinnen, mußten auch büßen, nur für ihre Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht. Sie wurden nach Sibirien verfrachtet, standen unter Polizeiaufsicht. Eine wurde Morphinistin, eine heiratete einen Popen, ich habe Nachforschungen angestellt.« Der Millionär lachte auf. »Sacharow hatte sich damals nicht besonders hervorgetan und kam mit einer geringen Strafe davon. ›Er war zugegen und hat dem nicht Einhalt geboten‹, so stand es damals im Urteil.«
    Fandorin schnippte mit den Fingern, als hätte er eine lang erwartete frohe Nachricht erhalten, und wollte noch etwas fragen, aber Burylin brachte ihn aus dem Konzept – er zog ein vierfach gefaltetes Blatt Papier aus der Tasche und sagte: »Merkwürdig, daß Sie nach Sacharow fragen. Ich habe heute morgen ein irres Briefchen von ihm bekommen, kurz bevor Ihre Wachhunde mich abholten. Ein Straßenjunge hat es gebracht. Da, lesen Sie.«
    Wedistschew verbog sich, preßte die Nase ans Glas, aber was half ’s – er konnte es von weitem doch nicht lesen. Allem Anschein nach war das Papier hochwichtig: Fandorins Augen saugten sich daran fest.
    »Das Geld geb ich ihm natürlich, darum tut’s mir nicht leid«, sagte der Millionär. »Bloß, zwischen uns besteht keine ›alte Freundschaft‹, das hat er aus Gefühlsduselei geschrieben. Und dann so melodramatisch: ›Denk nicht im Bösen an mich, Bruder‹. Was hat er denn angestellt, unser Pluto? Hat er seinen Freundinnen, die im Leichenschauhaus auf den Tischen lagen, während der Fasten was Verbotenes zu essen gegeben?«
    Er warf den Kopf zurück und lachte schallend, überaus zufrieden mit seinem Witz.
    Fandorin betrachtete immer noch das Briefchen. Er trat ans Fenster, hielt das Blatt hoch, und Wedistschew sah auseinanderfließende krumme Zeilen.
    »Ja, das ist so hingekrakelt, daß man es kaum lesen kann«, röhrte der Millionär im Baß und guckte sich um, wo er den Zigarrenstummel ablegen könnte. »Als wär’s in der Droschke geschrieben oder im Suff.«
    Er fand nichts und wollte den Stummel auf den Boden werfen, konnte sich aber nicht entschließen. Verstohlen

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