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Schönheit der toten Mädchen

Schönheit der toten Mädchen

Titel: Schönheit der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Schein.
    »Wie soll er schon ausgesehen haben, der Verrückte«, antwortete sie und reckte die Schultern.
    Den Dreirubelschein steckte sie nun doch unter den Rock, aber ohne großes Interesse, mehr aus Höflichkeit. Dabei starrte sie Erast an und tastete ihn so mit ihren Glubschern ab, die Schamlose, daß Ines Unruhe ins Herz kroch.
    »Ich habe ja immer Schlag bei den Männern«, begann Glaschka bescheiden ihre Erzählung. »Aber an dem Tag war mir ganz mies. In der Butterwoche hatte sich meine ganze Fassade so mit Grind bedeckt, daß ich mich gegraust hab, in den Spiegel zu gucken. Also, ich geh die Straße rauf und runter, keiner will, nicht mal für fünfzehn Kopeken. Aber die da ist hungrig«, sie nickte zu dem Vorhang hin, hinter dem ein verschlafenes Schnaufen zu hören war. »Ein Jammer. Und da kommt einer, so ein Höflicher …«
    »Genau, an mich hat er sich auch so rangemacht«, warf Ines eifersüchtig ein. »Meine Visage war damals ganz zerkratzt und zerschrammt, weil ich mich mit Adelaida, der Hündin, in die Wolle gekriegt hatte. Keiner hat an dem Abend angebissen, wie ich auch lockte, aber der machte sich von selber an mich ran. ›Sei nicht traurig‹, sagte er, ›ich will dich erfreuen.‹Aber ich bin nicht wie Glaschka mit ihm mitgegangen, weil …«
    »Das hab ich schon gehört«, schnitt Erast ihr das Wort ab. »Du hast ihn ja auch nicht richtig gesehen. Also sei still. Laß Glaschka reden.«
    Die funkelte Ines stolz an, und Ines fühlte sich ganz elend. Und ich hab ihn auch noch selber hergebracht, ich dumme Gans.
    Glaschka erzählte: »Zu mir hat er auch gesagt: ›Was läßt du den Kopf hängen? Gehen wir zu dir‹, sagt er. ›Ich will dich erfreuen.‹ Und ich war froh. Ein Rubelchen wird er schon springen lassen, dachte ich, vielleicht auch zwei. Dann kauf ich für Matrjoschka Brot und Kuchen. Von wegen … Dem Dokter mußt ich einen Fünfer blechen, damit er mir den Hals flickt.«
    Sie zeigte auf ihre Kehle, und da war unter einer Puderschicht ein dunkelroter Streifen zu sehen, gleichmäßig und dünn wie ein Faden.
    »Erzähl der Reihe nach«, befahl Erastik.
    »Also, wir kommen hierher. Er setzt mich auf das Bett hier, faßt mich mit einer Hand an der Schulter, die andre hat er auf dem Rücken. Und er sagt – seine Stimme ist sanft wie bei einem Weib: ›Du‹, sagt er, ›denkst wohl, du bist nicht schön?‹ Da fahr ich ihn an: ›Überhaupt nicht, meine Fassade verheilt schon wieder. Aber meine Tochter, die bleibt ihr Leben lang schiech. Da‹, sag ich, ›sehen Sie sich mein Kleinod an.‹ Ich zieh den Vorhang beiseite. Wie er Matrjoschka sieht – sie hat schon geschlafen und wacht nicht so leicht auf, ist an alles gewöhnt –, da fängt er am ganzen Körper an zu zittern. ›Ich‹, sagt er, ›werde sie gleich zu einer Schönheit machen. Und für dich wird’s eine Erleichterung sein.‹ Ich gucke ihn genaueran und sehe, daß in seiner Faust etwas blinkt. Heilige Mutter Gottes, ein Messer! So ein schmales, kurzes!«
    »Ein Skalpell?« fragte Erastik.
    »Wie?«
    Er winkte ab: Red nur weiter.
    »Da geb ich ihm einen Stoß und schreie aus Leibeskräften: ›Hilfe! Mörder!‹ Seine Fresse verzerrt sich, sieht zum Fürchten aus. ›Still, du dumme Pute! Du begreifst dein Glück nicht!‹ Und sticht zu. Ich fahre zurück, aber trotzdem hat er mich am Hals erwischt. Na, da hab ich so gebrüllt, daß Matrjoschka wach geworden ist. Sie fängt auch an zu heulen, und sie hat eine Stimme wie eine Märzkatze. Da hat er sich umgedreht und ist getürmt. Das ist die ganze Geschichte. Die heilige Jungfrau hat uns gerettet.«
    Glaschka bekreuzigte die Stirn und fragte, noch bevor sie die Hand sinken ließ: »Und Sie, gnädiger Herr, intrissiert Sie das geschäftlich oder einfach so?«
    Dabei funkelte sie mit den Augen, die Schlange.
    Doch Erastik sagte streng: »Beschreib ihn mir, Glaschka. Na, wie der Mann so aussah.«
    »Ganz gewöhnlich. Größer als ich, kleiner als Sie. Geht Ihnen so bis hierhin.«
    Und sie fuhr mit dem Finger über Erastiks Wangenknochen, ganz langsam. So was Schamloses!
    »Ein Durchschnittsgesicht. Glatt, ohne Bart. Weiter weiß ich nichts. Wenn Sie ihn mir zeigen, erkenn ich ihn sofort.«
    »Wir werden ihn dir zeigen«, murmelte Erastik, krauste die Stirn und überlegte etwas. »Also, er wollte dir Erleichterung bringen?«
    »Für solche Erleichterung würde ich diesem Satan mit bloßen Händen die Gedärme aufspulen«, sagte Glaschka ruhigund überzeugend. »Der liebe

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