Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)
Heckpartie, den Motor und den Piloten erkennen; alles fiel herab und stürzte genau auf ein vierhundert Meter von uns entferntes Feld.
Einige der Zuschauer stürmten sogleich dorthin. Coppens wollte es nicht sehen. Und die Unglücksfälle häuften sich .
Am 8. Februar begruben wir den französischen Piloten Chalhoup.
Am 6. März flog Le Boulanger eine allzu enge Kurve, verlor an Geschwindigkeit und trudelte zu Boden. Er war schwer verletzt, als wir ihn aus dem Wrack zogen.
Am 14. März begruben wir Clement, einen französischen Piloten.
Am 26. April schmierte Piret in einer Blériot-Maschine ab, verlor an Geschwindigkeit und fiel aus einer Höhe von neunzig Metern seitlich auf den Boden. Er kam mal wieder mit leichten Verletzungen davon.
Am 27. April legte Biéran de Catillon eine Henri Farman 30 aufs Kreuz, in beängstigender Weise, kam aber ohne ernstliche Verletzungen davon.
Am 16. Mai machte François Vergult eine Bruchlandung mit einer Maurice Farman, blieb aber unverletzt.
Am 17. Mai machte Adrien Richard mit einer anderen Maurice Farman eine Bruchlandung, und aus den Wrackteilen der beiden Maschinen bauten sie uns ein neues Flugzeug.
Am 20. Mai geriet De Meulemeester, ein ausgezeichneter Pilot, bei einem ziemlich gewagten Manöver ins Trudeln. Obwohl er aus größerer Höhe fiel als Le Boulanger, wurde er nicht so schwer verletzt wie dieser, sondern war nach einem oder zwei Tagen wieder auf den Beinen.
Am 27. Mai ging bei Evrard 31 das Fahrwerk einer B. E. 2 zu Bruch.
Heute, am 31. Mai, ereignet sich ein weiterer Unfall. Diesmal handelt es sich um einen Piloten namens Kreyn; er setzt bei der Landung eine Maurice Farman so ungeschickt auf, dass sie auseinanderbricht. Und doch wird er durch etwas gerettet, das erst kürzlich eingeführt wurde, nämlich den Fliegerhelm. Nicht alle tragen einen. 32 Manche finden ihn einfach zu hässlich, er erinnert sie an die wattierten Mützen, die besorgte flandrische Mütter ihren Kindern aufzusetzen pflegen, wenn diese laufen lernen.
Coppens sehnt die Prüfung herbei. Dann wird er goldene Flügel auf dem Ärmel seiner Uniform tragen, zum Sergeanten befördert werden und fünf Louisdors mehr an Monatssold beziehen.
***
Am gleichen Tag schreibt Richard Stumpf in sein Tagebuch:
Endlich ist das große Ereignis eingetreten, das seit 22 Monaten unser ganzes Sehnen, Fühlen und Denken in Anspruch nahm, das leidenschaftlich herbeigewünscht – das Ereignis, für welches wir seit langen Jahren arbeiteten und exerzierten.
Stumpf spricht von der großen Seeschlacht im Skagerrak, wo 274 deutsche und britische Kriegsschiffe am Nachmittag und Abend unweit der dänischen Küste aufeinandertreffen. Als die Nacht hereinbricht, liegen vierzehn britische und elf deutsche Kriegsschiffe auf dem Meeresgrund, und mehr als achttausend Seeleute sind ums Leben gekommen. Während der Schlacht hat Stumpfs Schiff, die SMS Helgoland , dreiundsechzig Granaten abgefeuert. Sie selbst hat nur einen einzigen Treffer erhalten. Die Besatzung beklagt keine Verluste. Ein anderer Eintrag in seinem Tagebuch lautet:
Ich bin überzeugt, dass es keinem Menschen möglich ist, seine Gefühle und Gedanken während der Feuertaufe so wiederzugeben, wie sie auf ihn einstürmten. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich Angst gehabt habe. Nein, es war ein undefinierbares Gemisch von Freude, Angst, Neugierde, Gleichgültigkeit und noch etwas, das mit dem Worte Tatendrang vielleicht nicht ganz richtig ausgedrückt ist.
Die Schlacht gilt recht bald, und zu Recht, als ein kleinerer deutscher Sieg. Eine Auswirkung auf den Krieg hat sie nicht.
99.
Donnerstag, 8. Juni 1916
Angus Buchanan sucht am Panganifluss nach Nahrung
Eigentlich will er gar nicht. Eigentlich will er in seine warmen Decken gehüllt hier liegen bleiben. Über sich erkennt Angus Buchanan die Sterne wie dünne Nadelstiche aus Licht. Aber er erwartet schon den Sonnenaufgang. «Nur noch fünf Minuten.»
«Komm schon!» Ein gedämpfter Ruf weckt ihn, er richtet sich auf. Es ist jetzt hell. Direkt neben ihm sitzt der andere Leutnant, Gilham, unter einem Busch und schnürt sich die Stiefel zu. Die beiden Männer lächeln sich an, in stillem Einverständnis. Obwohl es verboten ist zu jagen, ja überhaupt das Lager zu verlassen, haben die beiden genau das vor. Sie haben den ewigen Eintopf aus unappetitlichen Fleischkonserven satt; außerdem gehen die Vorräte zur Neige und die Rationen sind gekürzt
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