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Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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in der Nacht verschwunden. Arnaud ist ratlos. Er hat keine Ahnung, wo sie sich befinden, aber er weiß auch, dass sie auf ihrer Position sein müssen, bevor die Sonne aufgeht. Sind sie bis dahin nicht in Deckung gegangen, werden die feindlichen Feuerleitsoldaten und Maschinengewehrschützen sie entdecken – und dann sind sie verloren. Also stellt er sich an die Spitze der Kompanie, und schnell geht es weiter: hinab in ein kleines Tal, das mit Explosionskratern übersät ist, vorbei an einer Anhöhe, wo regelmäßig Vierersalven von 15-cm-Granaten einschlagen und die Luft zerreißen, hin zu einem leeren Verbindungsgraben. Er stößt auf zwei Offiziere, die im Halbschlaf neben einer brennenden Kerze in einem provisorischen Schutzraum kauern. Sie haben keine Ahnung, wo sich Höhe 321 befindet.
    Arnaud geht weiter, aufs Geratewohl:
     
Ich konnte schon den kalten Lufthauch spüren, der die Morgendämmerung anzukündigen pflegt. Ich beeilte mich, gefolgt von schwankenden Bajonetten und Wasserflaschen. Wenn wir nur vor Tagesanbruch ankämen! In der Ferne begannen die Konturen des Höhenzugs sich vor dem noch dunklen Himmel abzuzeichnen. Das Bombardement wurde intensiver, wie immer vor Tagesbeginn. «Schnell! Schnell!»
     
    Dann, endlich – Schutzräume, Schattengestalten. Höhe 321.  28 Er findet den Bataillonskommandeur. Ein Führer begleitet sie auf dem allerletzten Stück, einen scheinbar endlosen Hang hinauf. Als sie das Plateau erreichen, werden sie von regelrechten Granatschauern empfangen, aber sie gehen dennoch weiter bis an ihr Ziel. Dort trifft er einen Hauptmann, den Chef der Kompanie, die sie ablösen sollen. Die Übergabe im grauen Dämmerlicht fällt denkbar schlicht aus. Der Hauptmann zeigt ihm, wo die Deutschen liegen und wo der eigene Schützengraben verläuft und schließt mit einem schnellen: «Dies ist die Front. Gute Nacht.»
    Was auf den Karten als Schützengraben verzeichnet ist, erweist sich in Wirklichkeit als ein kaum metertiefer Graben. Seine Soldaten legen sich nieder und schlafen bald aneinandergelehnt ein. Arnaud selbst ist vollkommen erschöpft, nicht allein von der körperlichen Anstrengung, sondern auch von der enormen Anspannung. Mit dem Kopf zwischen den Knien sinkt er zusammen. «Ich war auf dem Schlachtfeld von Verdun, war mir dieser Tatsache aber kaum bewusst.»

98.
    Mittwoch, 31. Mai 1916
    Willy Coppens zieht eine Bilanz der Unglücksfälle des Frühjahrs in Étampes
     
    Es gibt eine besondere Prozedur, die bei jedem tödlichen Flugzeugunglück befolgt wird. Der gesamte Flugbetrieb wird sofort eingestellt, die Maschinen werden in die Hangars gerollt, und alle Schüler versammeln sich zur Totenwache um den zerfetzten Körper, «eine deprimierende Angelegenheit». Die Beerdigung findet am darauffolgenden Tag statt, und dann defilieren nicht nur die Flugschüler, sondern auch Bürger der Stadt und sämtliche Schulklassen am Grab vorbei. (Die Verunglückten werden immer auf dem kleinen Friedhof von Ètampes begraben.) Danach werden die Tore der Hangars geöffnet, und der Flugunterricht wird wieder aufgenommen.
    Im Verlauf des Frühjahrs hat Willy Coppens dieser Prozedur mehrmals beigewohnt. Abstürze sind nämlich nichts Ungewöhnliches.  29 Es sind vor allem die Geräusche, die sich in seinem Gedächtnis festgesetzt haben. Zuerst die Schreie der Zuschauer. Dann «dieses schreckliche Geräusch von splitterndem Holz». Am Ende: die Stille, diese unbeschreibliche Stille, wenn der Motor verstummt ist und die Wrackteile zum Liegen gekommen sind und der Körper auf den Boden auftrifft (mit diesem sonderbaren, dumpfen Laut), diese Stille, die einige Sekunden dauert – und eine Ewigkeit.
    Die erste Havarie, die Coppens mit eigenen Augen gesehen hat, ereignete sich am 1. Februar. Sie hatten in ihre pelzgefütterten Fliegerjacken gehüllt dagelegen und sich an der schwachen Wintersonne gewärmt und darauf gewartet, dass sie selbst an die Reihe kamen. Die Luft war erfüllt vom an- und abschwellenden Brummen der Flugzeuge, die um den Flugplatz kreisten. Plötzlich hörte er einen der hübsch surrenden Motoren aufheulen, und jemand rief: «Mein Gott, der bringt sich um.»
     
Als ich aufblickte, sah ich eine Farman-Maschine in einem fast senkrechten Sturzflug, mit viel zu hoher Geschwindigkeit, weshalb sie in der Luft auseinanderbrach. Der Rumpf der Maschine wurde buchstäblich gesprengt, und Flügelpartien, Streben und andere Teile wurden in alle Richtungen verstreut. Ich konnte die

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