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Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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worden. Sie haben beide Hunger. Wie sollen sie durchhalten ohne Essen?
    Viele Soldaten sind unterernährt, und als direkte Folge nehmen auch die Krankheitsfälle in der Hitze rasant zu. Die Betroffenen müssen zur Behandlung zurückgeschickt werden, was die ohnehin schwachen Transportressourcen arg strapaziert. Auch die Kranken müssen natürlich ernährt werden. Und die Männer, die auf dem Weg nach hinten sind, ernähren sich von dem, was zu den an der Front kämpfenden Verbänden unterwegs ist, sodass die Rationen dort noch weiter gekürzt werden müssen. Ein Teufelskreis. Regimenter sind so stark geschrumpft, dass sie mit 170 bis 200 Mann eher Kompaniestärke haben.
    Die deutschen Einheiten, die sie durch den Busch, durch Dschungel und Sümpfe jagen, über Flüsse, Berge und Savannen, scheinen vom Klima und von Krankheiten mehr oder weniger unangefochten zu sein, was nicht verwunderlich ist, da die Truppe ja aus Schwarzen besteht, die das Klima gewohnt und gegen Krankheiten widerstandsfähig sind. Sie sind häufig mit dem Gelände vertraut, wissen, wo Nahrung zu finden ist, und sie bewegen sich mit beeindruckender Leichtigkeit. Dank guter Behandlung und gutem Sold haben sie außerdem ein hohes Maß an Loyalität gegenüber ihren deutschen Herren entwickelt.
    Die Briten werden gezwungen, ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Einsatz und der Bewaffnung von Afrikanern zu überdenken. Die Operation, an der Buchanan und die anderen jetzt beteiligt sind und die nach dem Ende der Regenzeit eingeleitet wurde, hat unter anderem das Ziel, die Deutschen aus Tabora zu vertreiben, der Region, aus der sie ihre besten Askaris rekrutieren. Zudem hat Lettow-Vorbeck sich als ein Meister der Improvisation erwiesen. Da kein Nachschub mehr aus Deutschland kommt, hat er eine eigene Munitionsherstellung angekurbelt, die Truppen gelehrt, ihre Stiefel selbst herzustellen, und sich schwere Artillerie zugelegt, die er vom kleinen Kreuzer Königsberg geborgen hat, der von der britischen Flotte ins Rufugidelta gedrängt worden war.  33
    Buchanan und Gilham greifen ihre Gewehre und schleichen sich an den schlafenden Männern vorbei aus dem Lager. Buchanans afrikanischer Diener, Hamisi, ist mit von der Partie. Zuerst kämpfen sie sich durch den dichten trockenen Busch. Am schlimmsten ist das Dickicht dorniger Büsche und Bäume, und am allerschlimmsten ein kleiner Baum, den die Afrikaner mgunga nennen, dessen Dornen besonders lang, scharf und zahlreich sind. Sie meiden den Baum, so gut es geht. Buchanan schreibt: «Ich werde den Rest meines Lebens die Erinnerungen an den mgunga mit mir herumtragen.» Ihre Hände, Arme und Beine bluten.
    Nach einer Stunde öffnet sich die Landschaft ein wenig, und sie sind auch so weit vom Lager entfernt, dass Schussgeräusche ihr Vorhaben nicht mehr verraten können. Sie laden ihre Gewehre. Schweigend schleichen sie vorwärts. Hamisi folgt ihnen mit etwas Abstand.
    Nach einem knappen Kilometer springt eine Kudu-Antilope auf, doch bevor sie schießen können, verschwindet das grazile Tier mit federnden Sprüngen in den Büschen. Buchanan flucht. Nach drei Kilometern haben sie lediglich die Spuren von Impalas und Warzenschweinen gesehen und die eine oder andere Schar Perlhühner aufgescheucht. Es ist Zeit umzukehren. Die Sonne hat ihren Weg über den Himmel angetreten, und binnen einer Stunde wird es hier unerträglich heiß werden. Die Jagd der beiden Männer nach den schnellen, flüchtenden Tieren an diesem Morgen war bisher ebenso vergeblich wie die Jagd der Division nach den schnellen, flüchtenden Kompanien der deutschen Schutztruppe .
    Buchanan, Gilham und Hamisi nehmen einen anderen Weg zurück. Das ist ihr Glück. Zuerst stoßen sie auf eine Giraffengazelle , die sie mit ihren Schüssen aber beide verfehlen. Nach einer Weile wird der Busch wieder dichter. Buchanan hat zu Gilham keinen Blickkontakt mehr, aber plötzlich hört er einen Schuss, dem ein Triumphschrei folgt. Der Kamerad hat eine andere Giraffengazelle erlegt. Die beiden Männer brechen in ein Freudengeheul aus. Fleisch! Sogar Wild! Buchanan betrachtet voller Zärtlichkeit das Tier, das zu ihren Füßen verendet. Es ist von einer Art, die er bisher nicht gesehen hat:
     
Feingliedrig, mit einem bezaubernd grazilen Körperbau und einem Fell mit straffem, dickem, glänzendem Haar, der Körper oben und ein Stück nach unten matt schokoladenfarbig, wo eine deutliche waagerechte Linie den dunkleren Rücken gegen den etwas helleren Bauch

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