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Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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frische Luft atmen.
    Gegen zwei Uhr nachts sind sie fertig. Arnaud verspürt «eine bittere Zufriedenheit, getan zu haben, was getan werden musste». Er sieht die Ablösung vorbeimarschieren: schwer beladene Männer, die eine Schweißwolke hinter sich herziehen. Der Leutnant, der die Stellung übernehmen soll, ist unzufrieden. Von den Stacheldrahthindernissen sind nur noch verdrehte und verknäulte Spirallängen übrig, der Kommandoposten ist nur eine Grube zwischen zwei Haufen von Sandsäcken. Arnaud ist zunächst wütend über die Beschwerden: «Sollten wir so viel gelitten haben, nur damit ein Idiot daherkommt und so tut, als hätten wir nicht unsere Arbeit gemacht?» Aber er beruhigt sich und denkt daran, dass der griesgrämige Leutnant bald erkennen wird, was es bedeutet, die Höhe 321 zehn Tage und Nächte hindurch zu halten.
    Der Rückmarsch von der vordersten Linie geht merkwürdig schnell. Die Müdigkeit ist wie weggeblasen. Keiner will eine längere Rast einlegen, alle wollen dem Geschützfeuer entkommen, bevor die Sonne aufgeht. Der Rückweg führt an dem Zwischenwerk de Froidterre vorbei. Dort machen sie halt und gehen in Deckung. Zur gleichen Zeit kommt ihnen eine andere Truppe entgegen, auf dem Weg in den Kampf, ein Spiegelbild ihrer selbst vor zehn Tagen: «Ihre Mäntel waren leuchtend blau, ihre gegerbte Lederausrüstung noch gelb, ihre Kochgeschirre noch silberglänzend.» Arnaud dagegen trägt einen verdreckten Mantel, das Fernglas um den Hals, zerknüllte Beingamaschen, zehn Tage alte Bartstoppeln und einen kaputten Helm – der Kamm wurde bei einem Nahkampf am 8. Juni abgeschossen. Die meisten seiner Soldaten haben weder Tornister noch Gürtel. Einige von ihnen nicht mal ein Gewehr.
    Während Arnaud und seine Leute diese tadellos gekleideten Burschen betrachten, schlägt mitten unter den Neuankömmlingen eine Granate ein. Keiner von Arnauds Männern reagiert darauf, sie gehen sofort weiter. Sie folgen einem aufgeweichten Weg, an dessen Rändern Leichen, tote Pferde und sogar ein verlassener, grau angemalter Ambulanzwagen zu sehen sind. Die Männer stapfen vorwärts, so schnell sie können, mit fiebrigen Augen und verdreckten Gesichtern, auf eine «furchtsame, ungeordnete Art und Weise, als seien sie aus der Schlacht geflohen». Sie sehen sich nicht um und beobachten nur von Zeit zu Zeit den Aufklärungsballon, der im Morgengrauen über den deutschen Linien schwebt und jederzeit dafür sorgen könnte, dass ein paar Salven auf sie herabregnen. Jene Rechnung, von der Arnaud hörte, als sie auf dem Weg nach Verdun waren, ging auf: Von den rund einhundert Mann der Kompanie sind noch dreißig übrig.
    Sie passieren dieselbe Straßenkreuzung wie vor zehn Tagen. Arnaud sieht Verdun rot, weiß und still in der Morgensonne leuchten und denkt: «Krieg ist schön, in den Augen von Generälen, Journalisten und Gelehrten.»
    Sie überqueren den Fluss. Langsam lassen sie die Gefahren des Schlachtfelds hinter sich. Bei einer Rast an einem Waldrand sieht Arnaud einen Sergeanten der Reserve eine Zeitung lesen. Er fragt ihn, was es Neues gebe. Der Sergeant schnaubt: «Es ist das Gleiche wie immer» und reicht Arnaud die Zeitung. Der ruft plötzlich: «Das sind wir, das sind wir!» Seine Männer scharen sich um ihn, und er liest die abgedruckten Kommuniqués vor:
     
8. Juni, 23.00 … Auf dem rechten Ufer unternahm der Feind nach schweren Bombardements mehrere Angriffe auf unsere Stellungen westlich und östlich der Thiaumont Ferme. Sämtliche Angriffe wurden von unserem Sperrfeuer und unseren Maschinengewehren zurückgeschlagen.
9. Juni, 15.00 … Auf dem rechten Ufer setzten die Deutschen ihre heftigen Angriffe auf einer Front von fast zwei Kilometern östlich und westlich des Hofes Thiaumont fort. Sämtliche Sturmangriffe im westlichen Teil wurden abgewehrt, und der Feind erlitt schwere Verluste …  36
     
    Einer wendet ein, dass man tunlichst vermieden habe, über Verluste zu berichten, aber alle anderen sind seltsam zufrieden und rufen immer wieder, wie ein tröstliches Mantra: «Das sind wir!» Und vielleicht sind diese kurzen Meldungen über ihren Kampf ein entscheidender Grund dafür, dass er überhaupt stattfand. Auch dies war möglicherweise eine Aktion, die von Anfang an vor allem dazu gedient hat, eine Meldung zu werden. Sie haben ihr zehntägiges Martyrium vielleicht nur durchlitten, damit jemand würde sagen können, dass die (militärisch im Grunde unwichtige) Höhe 321   gehalten

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