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Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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ausgezeichnete Schutzräume.
    Die Arbeit folgt einem festen Schema: acht Stunden graben, mit einer längeren Essenspause in der Mitte. Danach Freizeit. Einer dieser Laufgräben, an denen er arbeitet, zieht sich durch das flackernde Sonnenlicht in einem noch sommergrünen Wald, in dem die umgeschossenen Bäume wie ein Mikado auf der Erde liegen, an einem Bach entlang, durch eine alte Wassermühle hindurch. Sie schlafen in unterirdischen Schutzräumen. Dort ist es sicher, aber eng. Die Betten sind so schmal, dass sie auf der Seite liegen müssen; unten sind breite Spalten, die es äußerst schwer machen, bequem zu liegen. Und ihre Matratzen sind mit Holzwolle gefüllt, die Klumpen bildet. Außerdem ist die Luftzufuhr nicht gerade optimal:
     
Hat man dort fünf, sechs Stunden gelegen und geschlafen, fühlt man sich beengt in der Brust, als ob man Asthma hätte; aber das geht ziemlich schnell vorbei, wenn wir an die frische Luft und ins Licht kommen.
     
    Andresen ist gesundheitlich angeschlagen. Seine alte Erkältung will nicht verschwinden, sein Magen macht Ärger und außerdem hat er oft Kopfschmerzen. Sie haben viele Luftkämpfe am Sommerhimmel verfolgt. Die Engländer scheinen dort die Oberhand zu behalten. «Kürzlich wurde hier der berühmte Flieger Immelmann abgeschossen. Ich war im Schutzraum und schlief. Aber die oben waren, haben es gesehen.»
    Wie immer folgt er aufmerksam den Nachrichten über einen möglichen Frieden. Gerade jetzt kursiert ein seltsam hartnäckiges Gerücht, dass der Krieg am 17. August zu Ende sein werde. Das ist ein Donnerstag.

104.
    Sonntag, 2. Juli 1916
    Angus Buchanan kauft in Kwadirema ein paar Hühner
     
    Sonntag, und ausnahmsweise wird der Sabbat eingehalten. Seit einigen Tagen sind sie im Lager; wie es heißt, warten sie auf Nachschub an Vorräten, bevor der Marsch weitergeht. In letzter Zeit ist das Essen wieder knapp geworden, und die Leute sind hungrig.
    Buchanan verzichtet sogar auf den üblichen Maschinengewehrdrill, er gönnt seinen Männern einen ruhigen Tag. Aber dies hat nicht nur Gutes. In der schwülen Sonntagsstille, wenn es nichts gibt, was einen ablenkt, bekommt man schnell Heimweh. Buchanan wäre zufrieden, wenn er nur erführe, wie es zu Hause geht. Nachrichten sind selten hier draußen im Busch, und Briefe noch seltener. Seit mehreren Wochen warten sie auf die Post.
    Aber der Tag ist nicht verloren. Buchanan freut sich nicht nur über die Möglichkeit sich auszuruhen, sondern auch über ein gutes Geschäft. Von zwei Schwarzen, die er vor einigen Tagen traf und die in der Zwischenzeit in ihrem Dorf waren, ersteht er Mehl und dreizehn Hühner; er tauscht sie gegen Kleidung. Die Freude über diese unerwartete Ladung Kalorien ist groß. Es gibt also Huhn zum Abendessen. Doch der Zoologe in ihm erwacht. (Er war im Übrigen nie ganz eingeschlafen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit sammelt Buchanan Pflanzen, Eier und vor allem Vögel. Alles, was er findet, katalogisiert er mit der hingebungsvollen Präzision des Wissenschaftlers. Sein letzter Fund stammt vom 14. Mai und hat die Ordnungsnummer 163; es ist ein Eisvogel, ein Weibchen der Art Ispidina picta .) Eins der Hühner hat einen seltsamen weißen Federbusch auf dem Kopf. Aus irgendeinem Grund bringt er es nicht über sich, das Tier zu töten, und beschließt, es eine Zeitlang zu behalten. Das Huhn kann Eier legen, und vielleicht kann es ihm sogar Gesellschaft leisten?

105.
    Freitag, 7. Juli 1916
    René Arnauds Bataillon bereitet sich auf einen neuen Einsatz bei Verdun vor
     
    Der Befehl trifft sie wie ein Schock in der Hochsommerhitze. Sie werden nach Verdun geschickt, «um eine Lücke zu füllen». Keiner von ihnen hat geglaubt, sie müssten noch einmal dorthin zurück, auch deswegen, weil sie schon so große Verluste erlitten haben. Denn aus diesem Grund hat die Brigade die beiden Regimenter zusammengelegt, und Arnaud und die anderen mussten die Nummer «337» von ihren Kragenspiegeln abtrennen und durch die «293» ersetzen. Das 337. existiert nicht mehr, nicht nach jenem Einsatz vor einem Monat bei Verdun.
    Arnaud tut sein Bestes, um die Männer seiner Kompanie zu beruhigen, aber er glaubt nicht, dass es ihm gelungen ist. Er selbst ist bedrückt. Alle haben anscheinend denselben Gedanken: «Einmal schaffst du es, davonzukommen, aber nicht ein zweites Mal.» Am Abend instruiert sie der Regimentschef in einem der kleinen unterirdischen Räume der Zitadelle von Verdun. Der Verband soll einen Abschnitt

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