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Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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wie das Gegenfeuer aus dem Inneren des Forts langsam verebbt, ja, er meint sogar, deutsche Trompeter zum Rückzug hinter den Höhenkamm blasen zu hören. Den Sieg in Reichweite, erhält er jedoch Befehl, sich zurückzuziehen. Die Deutschen haben an einer anderen Stelle zum Gegenangriff angesetzt. Man läuft also Gefahr, abgeschnitten zu werden. Als Buchanan und die anderen sich von der Höhe zurückziehen, hören sie heftigen Schusswechsel in der Ferne. Alle Träger sind verschwunden. Rechts und links des Pfades liegen die Säcke, die Packtaschen und Kisten von Buchanan und seinen Leuten in wildem Durcheinander. Und kaum haben sie erkannt, dass die Askaris offenbar direkt durch ihren Tross gestoßen sind, werden sie selbst aus nächster Distanz beschossen.
    Später erreichen sie ihr Feldlazarett. Es ist von deutschen Truppen geplündert worden, doch in merkwürdig geordneter Weise.
     
Die Führer des feindlichen Verbandshatten zwar die Frechheit besessen, den eingeborenen Dienern zu befehlen, den weißen Deutschen Tee zu servieren, während sie gleichzeitig Chinin und andere Medikamente, die sie benötigten, an sich nahmen. Aber diese Weißen hatten die Verwundeten rücksichtsvoll behandelt und ihre eigenen, aufgebrachten Schwarzen mit gezogenen Revolvern daran gehindert, die Patienten zu behelligen.
     
    Während der Krieg an allen anderen Fronten immer brutaler und rücksichtsloser wird, zeigen die in Ostafrika kämpfenden Weißen nicht selten eine erstaunliche Ritterlichkeit im Umgang miteinander. Diese Kameraderie ist nicht allein ein Relikt aus der Zeit vor 1914, als man überzeugt war, dass die Kolonien aus jeglichen Konflikten herausgehalten werden sollten – sie ist auch ein Ausdruck des Zusammengehörigkeitsgefühls: Man bildet, als weißer Tropfen in einem schwarzen Meer, gleichsam eine Art koloniale Schicksalsgemeinschaft.  24 Weiße Gefangene werden in der Regel sehr gut behandelt und erhalten zuweilen bessere Verpflegung als die eigenen Soldaten. Es kommt während dieses Feldzugs vor, dass ein deutscher Arzt die britischen Linien überquert und eine Packtasche mit medizinischer Ausrüstung zurückverlangt, die beim Rückzug liegen geblieben war; man händigt sie ihm aus und erlaubt ihm, zu seinen eigenen Leuten zurückzukehren. Als Lettow-Vorbeck während der Kämpfe die höchste deutsche Auszeichnung, der Orden Pour le Mérite verliehen wird, schickt der britische General vor Ort ihm einen höflichen Gratulationsbrief.
    Buchanan und die anderen in seinem Bataillon – soweit sie noch auf ihren Beinen stehen können – erreichen gegen elf Uhr am Abend das Lager bei Ziwani. Sie sind völlig erschöpft. Seit zweiundzwanzig Stunden sind sie entweder in Bewegung oder im Kampf gewesen.
    In einer Woche werden sie den Höhenzug erneut angreifen.
***
    Am selben Tag schreibt Harvey Cushing in sein Tagebuch:
     
Den ganzen Tag über strömte der Regen – und es strömten auch unterkühlte und zitternde Verwundete herein, mit Schlamm und Blut bedeckt. Einige GSW am Kopf  25 , die sich, nachdem erst der Schlamm abgekratzt war, als Bagatellen herausstellten – andere weitaus ernster, als wir zunächst geglaubt hatten. Die Untersuchungsräume sind immer noch überfüllt – es ist unmöglich, damit Schritt zu halten; und die unsystematische Art und Weise, wie dies gehandhabt wird, kann einen wahnsinnig machen. Auch die Nachrichten sind sehr schlecht. Die größte Schlacht der Weltgeschichte ist bis zur Hüfte im Schlamm versunken, und die Kanonen noch tiefer.

157.
    Mittwoch, 8. August 1917
    Florence Farmborough überquert die Grenze nach Rumänien
     
    Bereits gegen sieben Uhr morgens marschieren sie los. Es hat geregnet, und die Wege sind matschig. Aber ihr gefällt die offene, hügelige Landschaft, deren Farben und Konturen in der milden Morgensonne gedämpft erscheinen. Sie überqueren den Pruth über eine Brücke, an der österreichische Kriegsgefangene gerade arbeiten. Sie sieht, dass die Zelte der Gefangenen vom Regen durchnässt sind. Einige sitzen nur da, unbeweglich, und warten darauf, dass die Morgensonne ihre durchweichte Kleidung trocknet.
    Die Wagen klappern über die Holzbohlen der Brücke und rollen auf das gegenüber liegende Ufer, jetzt befinden sie sich in Rumänien. Woher nimmt die Lazaretteinheit ihre Zuversicht? Gestern haben sie die Ankündigung, dass sie in das südliche Nachbarland verlegt werden, mit Freuden begrüßt. In Wahrheit handelt es sich um eine Flucht, nicht nur vor den

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