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Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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droht und bekommt den Zug schließlich wieder in den Griff.
    Gewehrfeuer dröhnt. Der Mann bricht zusammen. Jetzt ist auch er tot.
    Das Erschießungskommando wird aufgelöst, und die Männer ziehen langsam davon. Monelli sieht, wie aufgewühlt sie sind, erkennt Angst und Qualen in allen Gesichtern. Für den Rest des Tages wird von nichts anderem gesprochen. Die Stimmen sind gedämpft, vor Scham oder Schock. Monelli schreibt:
     
Fragen und Zweifel stellen sich in unseren widerspenstigen Köpfen ein, und wir weisen sie voller Furcht von uns, weil sie unsere hehren Prinzipien allzu sehr besudeln: diese Prinzipien, die wir klaglos akzeptieren, als seien sie Glaubenssätze, aus Furcht davor, dass es uns sonst allzu schwer fiele, unsere Pflicht als Soldaten zu tun. Vaterland, Notwendigkeit, Disziplin – Wörter aus dem Handbuch, deren Sinn wir eigentlich nicht kennen, sondern die für uns nur Laute sind; der Tod durch Erschießen, da werden sie für unser geschlagenes Gemüt klar und begreiflich. Aber diese Herren unten in Enego, nein, die sind nicht hergekommen, um zu sehen, wie ihr Urteilsspruch zu Realität wird.

156.
    Donnerstag, 2. August 1917
    Angus Buchanan nimmt am Sturm auf die Tandamutihöhe teil
     
    Noch ein Nachtmarsch, noch ein Angriff. Die kahle Höhe liegt vor ihnen, sie erhebt sich aus dem dichten Grün wie der Rücken eines ertrunkenen Urzeittiers. Auf dem Höhenkamm ist ein Waldstück zu sehen. Darin verbirgt sich ein Fort. Diese Befestigung ist das Ziel des Angriffs.
    Um neun Uhr beginnt die Hauptattacke. Im Busch hört man das emsige Rattern der Maschinengewehre und der Granatwerfer. Die erste Welle besteht aus einem schwarzen Bataillon, den ¾ King’s African Rifles. Sie erleiden schwere Verluste, und ihr Angriff kommt an dem steilen Hang zum Erliegen. Jetzt wird die zweite Welle herbeibefohlen – Buchanans Einheit, die 25   th Royal Fusiliers. Allmählich empfinden sie Respekt für die schwarzen Soldaten und pflegen sogar eine Art Kameradschaft mit einigen der erfahreneren afrikanischen Verbände – vor dem Krieg noch undenkbar. Buchanan befehligt den Maschinengewehrzug des Bataillons, mit seinen Männern folgt er der Schützenkette den mit Leichen übersäten Hang hinauf, bis zum Gipfel. Der Schusswechsel steigert sich zu einem Donnern.
    Je mehr die deutschen Truppen in einem äußeren Winkel der Kolonie zusammengedrängt werden und sich auf verschiedene befestigte Punkte stützen, desto intensiver und verlustreicher sind die Kämpfe geworden. Obwohl die Gesamtzahl der beteiligten Soldaten wesentlich niedriger ist als bei früheren Feldzügen, sind die reinen Kampfverluste dreimal so hoch.
    Auf beiden Seiten macht sich zunehmend Verzweiflung breit. Bei den Deutschen, weil sie um das letzte Stück Territorium kämpfen, das ihnen auf dem Kontinent geblieben ist. Bei den britischen Befehlshabern, weil London immer nachdrücklicher fordert, dass der Feldzug zum Abschluss gebracht wird, so schnell wie möglich. Nicht nur weil die Kriegskredite zur Neige gehen, sondern auch, weil die Tonnage der Handelsflotte schwindet. Seit die Deutschen ihren uneingeschränkten U-Boot-Krieg begonnen haben, versenken sie nämlich mehr Schiffe, als die Alliierten bauen können,  22 und in einer Lage, in der jedes vierte Schiff sein Ziel nicht erreicht und die Versorgung der Britischen Inseln direkt bedroht ist, gelten die Konvois nach Ostafrika als überflüssig.
    Nach dem Rückzug aus jenem Tal bei Mohambika haben die Deutschen sich auf der Tandamutihöhe festgesetzt. Seit Mitte Juni wechseln sich Angriffe und Gegenangriffe ab. Und jetzt ist es mal wieder so weit.
    Die zwei Kompanien der 25   th Royal Fusiliers rücken rasch zum bewaldeten Höhenrücken vor, werden aber durch ein boma aufgehalten, ein breites Hindernis aus miteinander verflochtenen Dornenbüschen, das mindestens ebenso effektiv ist wie Stacheldraht. Hier werden sie nach links zurückgeworfen. Inzwischen ist es Buchanan jedoch gelungen, seine Maschinengewehre in Stellung zu bringen, weniger als fünfzig Meter vor dem Hindernis. Ein hitziges Feuergefecht entbrennt. In kurzer Zeit fallen vier seiner «fähigsten und unentbehrlichsten» MG-Schützen. Buchanan lässt aber nicht locker. Das Feuer seiner ratternden Maschinengewehre streicht über die feindliche Stellung, während gleichzeitig Granaten aus den hinter ihnen postierten Granatwerfern nahezu lautlos über ihre Köpfe hinwegsausen und zwischen den Bäumen explodieren.  23
    Buchanan merkt,

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