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Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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alle Kräfte mobilisiert. Was de Nogales sieht, als sein Dampfschiff sich nähert, ist in gewisser Weise imponierend. Gleichzeitig hat die ganze Szenerie etwas Zeitloses:
     
Mit jedem Augenblick trat eine Linie aus Dampfern, Dauen, Nankeenen, Tarrados, Kufos und Flößen deutlicher hervor, die auf der linken Seite des Tigris vertäut waren und be- oder entladen wurden, militärische Ausrüstung und Vorräte türmten sich in pyramidenartigen Stapeln an den Steilufern des Flusses. Tausende von Büffeln, Kamelen und anderen Lasttieren, die von arabischen Hirten in pittoresken Trachten gehütet wurden, weideten friedlich um ein enormes Areal von weißen Zelten, die sich in der Ferne verloren. Zu den Klängen von Militärmusik marschierten Kavalleriepatrouillen und Infanteriezüge vor und zurück durch eine gewaltige Masse uniformierter Menschen, von der ein ununterbrochenes Stimmengewirr aufstieg wie fernes Meeresrauschen, ein Geräusch, das dann und wann vom schrillen Wiehern der Tiere, von den heiseren Stimmen der Sirenen, von singenden Imamen, die zum Gebet riefen, und von den Ausrufen persischer, arabischer und jüdischer Händler durchbrochen wurde, die unseren Soldaten mit großartigen Gesten Tabak, Oliven und fettige Speisen anpriesen.
     
    Die Nacht verbringt de Nogales auf der rußgeschwärzten und von Kugeln durchsiebten Firefly , einem englischen Kanonenboot, das bei den Kämpfen von Umm vor gut zwei Monaten in osmanische Hände fiel. Beide Seiten unterhalten auf dem Tigris kleine Flottillen schwer bewaffneter Boote, auch um die eigene Versorgung zu sichern. Für beide Armeen ist der Fluss – auf dem in diesem Jahr wegen der Hitze das Navigieren ungewöhnlich schwerfällt – eine Lebensader.
    Ab und zu hört man diffuses Dröhnen entfernter Detonationen. Am Horizont steigt dichter Rauch aus Palmenwäldchen auf. Irgendwo dort befinden sich Kut al-Amara und seine eingekesselten Verteidiger.
***
    Einer der Männer dort drüben in der eingeschlossenen Stadt ist Edward Mousley. Gerade liegt er mit Ruhr darnieder. An diesem Morgen ist das Aufwachen besonders ekelhaft. Außer dem unvermeidlichen Durchfall hat er starke Schmerzen im Kreuz, Kopfweh und hohes Fieber. Der Rat der Ärzte ist simpel: Diät. Mousleys Kommentar: «Ebenso gut könnten sie eine Kreuzfahrt auf See empfehlen.» Die Nahrungsvorräte in Kut al-Amara gehen langsam zur Neige. Einige von denen, die um jeden Preis das Krankenbett vermeiden wollen, versuchen sich mit Opiumpillen oder anderen Hauskuren auf den Beinen zu halten, zum Beispiel einer Mischung aus Rizinusöl und Chlorodyne, einem bekannten schmerzstillenden Patentmittel mit Minzgeschmack, das Opium, Cannabis und Chloroform enthält.  11
    Die Lage bei Kut al-Amara ist unverändert. Alle warten auf neue Entsatzversuche. Bei einem Teil der Soldaten wächst die Ungeduld, während andere sich ruhiger verhalten, fast apathisch, und nicht mehr an eine schnelle Rettung glauben. Man bezeichnet sich scherzhaft als siegy oder dug-outish .  12 Die Schraube zieht gleichzeitig noch mehr an. Heute werden sie von einem feindlichen Flugzeug bombardiert. In Mousleys Worten: «Der Kreis hat sich geschlossen. Wir werden von allen Seiten beschossen, sogar von oben.» Die erschütterndste Nachricht des Tages ist, dass die Menschen zu Hause in Großbritannien nichts davon wissen, was sich hier in Mesopotamien anbahnt; dort glaubt man, das Korps sei einfach in eine Art Winterschlaf gefallen.
    Mousley schreibt in sein Tagebuch:
     
Las heute einen Roman zu Ende. Das hatte zumindest den Vorteil, dass ich wieder Heimweh nach England bekam. Wir sind alle irgendwie voll von Sehnsucht; und die größte Segnung der Zivilisation ist, dass sie uns die Möglichkeit gibt, sie zu stillen. Mein Gott! Was würde ich nicht für ein Glas Milch und eine Götterspeise geben. Meine Temperatur ist 39,4 Grad, ich zittere. Ich will jetzt versuchen zu schlafen. Die Schritte des Wachtpostens neben meinem Dach lassen die Erde erbeben. Dies ist der siebzigste Tag der Belagerung.

83.
    Montag, 14. Februar 1916
    Kresten Andresen sitzt in Montigny und denkt an den Frieden
     
    Vorfrühling. Eisbedeckte Wasserpfützen. Eine Landschaft in Hellbraun. Es sind ein paar ruhige Monate gewesen, und darüber ist er froh. Andresen hat einige Runden an der vordersten Linie gedreht, aber nicht als Kämpfender, sondern als Grabender. Tagsüber haben sie unten in einer Art Keller gesessen und dem Artilleriefeuer zugehört; nachts sind sie zur

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