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Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Titel: Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt
Autoren: Karl Olsberg
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möglich war. Dies führte allerdings nicht dazu, dass die Einzeller ausstarben. Im Gegenteil: Noch heute stellen einzellige Lebensformen über 60 Prozent der Gesamtmasse des Lebens auf der Erde. Einige von ihnen haben sich seit Jahrmilliarden kaum verändert.
    Interessanterweise beschleunigte die Entstehung der Mehrzeller aber auch die Evolution der Einzeller. Denn die relativ drastischen Mutationen bei winzigsten Abweichungen im Genom trafen jetzt auf ganz andere Umweltbedingungen. Statt in einer eintönigen, stabilen Umgebung fanden sich die Einzeller in einer Situation rasanter Veränderungen wieder, ausgelöst durch immer neue Spezies von Mehrzellern. Damit war die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällige Mutation einen Selektionsvorteil brachte, wesentlich größer. Beispielsweise konnten sich Einzeller als Parasiten oder Symbionten an die Evolution der Mehrzeller »anhängen«. Im menschlichen Körper finden wir beide Formen zuhauf: Einzellige Parasiten in Form von Krankheiten auslösenden Bakterien, Symbionten beispielsweise in unserer Darmflora. Ohne die Einzeller in uns könnten wir überhaupt nicht leben.
    Waren die ersten Mehrzeller noch relativ form- und strukturlose Gebilde, wie Würmer, Schwämme oder Fadenalgen, bildeten sich im Laufe von »nur« etwa 200 bis 300 Millionen Jahren - etwa einem Zehntel der Zeit, die von der Entstehung der ersten Zellen bis zu den Mehrzellern verging - stabile Strukturen wie ein Skelett und komplexe Organe. Diese boten der Evolution neue Ansatzpunkte und führten zur »Kambrischen Explosion« vor etwa 540 Millionen Jahren, als in erdgeschichtlich gesehen sehr kurzer Zeit eine unglaubliche Vielfalt neuer Lebensformen entstand.
    Es ist umstritten, ob hier tatsächlich eine explosionsartige Zunahme der Vielfalt des Lebens stattfand, oder ob dieser Eindruck nur darauf zurückzuführen ist, dass die ersten skelettartigen Strukturen sich über Fossilien wesentlich besser erhalten haben als die vielfältigen Formen, die es zuvor gegeben haben mag. Auf jeden Fall aber führten Skelettstrukturen und spezialisierte Organe, wie Augen oder Geruchssinn, zu einer wesentlichen Vergrößerung der Vielfalt und auch zu einer Beschleunigung evolutionärer Anpassung.
    In den folgenden etwa 300 Millionen Jahren veränderte sich das Bild der Erde gravierend. Photosynthetische Einzeller hatten schon zuvor dafür gesorgt, dass aus der ursprünglichen, sehr sauerstoffarmen Atmosphäre unsere heutige aus menschlicher Sicht lebensfreundliche Luft entstand. Nun eroberte das Leben das Land und brachte viele der heute noch ihre jeweiligen Lebensräume dominierenden Arten hervor, wie etwa Insekten, Farne und Pilze.
    Die sexuelle Fortpflanzung entstand - eine weitere Erfindung der Natur, um eine noch raschere und effektivere Anpassung an Umweltveränderungen zu ermöglichen. Dabei werden zwei »funktionierende« Genome durch Rekombination miteinander verknüpft. Durch diesen Trick werden sehr viele Mutationen gleichzeitig möglich, wobei die Wahrscheinlichkeit, dass eine einzelne Mutation tödliche Folgen hat, sehr gering ist. Beispielsweise kann ein Kind von der Mutter die Haar- und Augenfarbe, vom Vater die Form der Nase und den guten Geruchssinn erben und würde sich damit von jedem Elternteil gravierend unterscheiden, ohne dass die Gefahr einer todbringenden Mutation besteht. Die sexuelle Fortpflanzung erhöht also die Mutationsrate und gibt gleichzeitig einen »sinnvollen« Rahmen für die Mutationen vor, weil nur solche Eigenschaften durch Rekombination vererbt werden können, die erwiesenermaßen nicht fatal sind (zwar können auch Erbkrankheiten weitergegeben werden, aber nur dann, wenn diese nicht automatisch bei allen Nachkommen im Kindesalter tödliche Folgen haben - sonst hätte der Elternteil, der dieses defekte Gen in sich trägt, ja selbst keine Nachkommen erzeugen können).
    Der nächste große Schritt in der Beschleunigung der Evolution war die Entwicklung eines komplexen Organs, das eine völlig neue Form der Anpassung ermöglichte und einen neuen Replikator auf den Plan rief: die Entstehung des Gehirns.
    Bis dahin hatte die Evolution zwei Möglichkeiten gehabt, durch Mutation die Reproduktionschancen von Genen zu verbessern: Zum einen konnte sie die Gestalt der »Genkopierer«, also der Lebewesen, verändern. Zum anderen konnte sie ihnen unterschiedliche, erblich festgelegte Verhaltensweisen mit auf den Weg geben.
    Praktisch jedes Tier lebt in dem permanenten Dilemma, sich etwas zu
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