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Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Titel: Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt
Autoren: Karl Olsberg
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Informationen, die den Zustand eines Empfängers dieser Informationen so verändern kann, dass er sie durch sein Verhalten oder durch Informationsübertragung an andere Empfänger weitergibt.
    Meme sind also Mengen, die wiederum aus anderen Me-men bestehen können, ähnlich wie das Genom eines Lebewesens aus einzelnen Genen besteht. In der Literatur werden Mengen von zusammengehörigen Memen, etwa die einer wissenschaftlichen Theorie, auch »Memplexe« genannt. Allerdings ist dann die Abgrenzung zwischen den Begriffen »Mem« und »Memplex« schwierig, da beides Mengen sind. Im Folgenden verzichte ich daher auf diese Unterscheidung.
    Zahlen und einzelne Worte sind im Allgemeinen keine Meme, denn sie bewirken, wenn wir sie hören, keine Veränderung in uns, die uns dazu bringt, sie weiterzugeben. Es gibt Ausnahmen: Das Wort »Feuer« zum Beispiel kann sehr wohl in uns die Reaktion auslösen, die Botschaft an andere zu übermitteln. Allerdings wirkt hier nicht das Wort allein, sondern auch der Kontext (wir sind in einem Gebäude) und die Art, wie es übertragen wird (ein lauter, aufgeregter Ruf). Ähnlich ist es, wenn Sie auf einer Party jemandem Ihren Namen nennen. Sie übertragen dann nicht nur die Information des Namens selbst, sondern die Verknüpfung dieses Namens mit ihrem Gesicht und all den anderen Informationen, die Ihr Gesprächspartner über Sie hat. Es ist durchaus möglich, dass er Ihren Namen in einem späteren Gespräch, vielleicht verbunden mit Informationen über Sie, weitergibt. Dann wäre auch Ihr Name, verknüpft mit all den anderen Informationen über Sie, ein Mem.
    Es zeigt sich, dass es nicht immer einfach ist, Meme von
    Nicht-Memen abzugrenzen. Ein Beispiel aus einem Schreibratgeber von Sol Stein illustriert das sehr schön: Der Satz »Harry sprang von einer Brücke« klingt nicht besonders interessant - kaum jemand würde ihn weitererzählen, wenn er ihn zufällig auf einer Party aufschnappte. Der Satz »Harry Belafonte sprang von einer Brücke« bewirkt in uns schon wesentlich mehr. Er hat das Potential, weitererzählt zu werden - vorausgesetzt, wir halten ihn für wahr und wissen, dass Harry Belafonte ein berühmter Sänger ist. Wenn besagter Harry, der von der Brücke sprang, zwar nicht mit Nachnamen Belafonte heißt, aber ein guter Freund von Ihnen ist, gilt das natürlich ebenfalls.
    Eine wesentliche Eigenschaft von Memen ist also, dass sie in uns etwas verändern, dass sie etwas bewirken. Sie müssen zumindest das Potenzial haben, uns dazu zu bringen, dass wir sie weitergeben. Dawkins benutzt in dem Zitat oben die Analogie des Virus’, das eine Zelle befällt, so dass diese neue Viren produziert. In der Literatur werden Meme deshalb gelegentlich als »Viren des Geistes« bezeichnet.
    Dieses Bild ist allerdings schief. Es gibt nämlich einen wesentlichen Unterschied zwischen Memen und Viren: Im Unterschied zu der von einem Virus befallenen Zelle, die sich nicht wehren kann, geben unsere Gehirne Meme nur weiter, wenn wir das wollen.
    Kehren wir kurz zum Beispiel unseres schwarmsuchenden Fisches zurück. Offensichtlich hat sich in der Population das Mem »Bleib in der Nähe anderer Fische« ausgebreitet. Unser Jungfisch imitiert das Verhalten seiner Artgenossen. Damit nimmt er das Mem auf und gibt es durch sein eigenes Verhalten an andere Fische weiter. Das ist natürlich kein bewusster Entscheidungsprozess. Aber es ist auch nicht allein die Folge des Mems. Der Jungfisch muss vielmehr von sich aus das Bedürfnis haben, das Verhalten seiner Artgenossen zu imitieren. Dieses Bedürfnis ist genetisch in ihm verankert. Das Mem allein kann ihn nicht dazu bringen, in der Nähe seiner Artgenossen zu bleiben.
    Die »Wirte« eines Mems müssen also von sich aus eine gewisse Aufnahmebereitschaft haben und im Fall des Menschen in der Regel auch die bewusste Entscheidung treffen, das Mem weiterzugeben. Damit kommen wir zu einer sehr wichtigen Eigenschaft von Memen: Um weiterverbreitet zu werden, müssen sie sich »interessant« machen.
    Ein guter Freund von mir kaufte sich neulich in einem Pflanzen-Großmarkt eine Yucca-Palme. In der folgenden Nacht hörte er ein merkwürdiges Rascheln im Wohnzimmer. Er schaltete das Licht an und entdeckte zu seinem Entsetzen eine handtellergroße Vogelspinne, die sich im Wurzelgeflecht der Yucca-Palme versteckt hatte.
    Ein anderer Freund kaufte einen unglaublich günstigen Sportwagen. Der Wagen war tadellos in Ordnung und kaum gebraucht. Da war nur dieser merkwürdige
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