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Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Titel: Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt
Autoren: Karl Olsberg
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Geruch, den er nicht wegbekam, egal, was er anstellte. Erst später fand er heraus, dass in dem Wagen tagelang die Leiche des früheren Besitzers gelegen hatte, eines alten Mannes, der in seiner Garage an Herzinfarkt gestorben war.
    Diese beiden Geschichten sind mir in den achtziger Jahren von mehreren Bekannten unabhängig voneinander erzählt worden, und zwar jeweils im Brustton tiefster Überzeugung und mit der Beteuerung, dass es sich um die unglaubliche Wahrheit handele. Merkwürdig daran war nur, dass diese spektakulären Dinge scheinbar mehreren Bekannten unabhängig voneinander und fast gleichzeitig passiert waren.
    Beide Geschichten kann man inzwischen in Büchern über moderne »Großstadtlegenden« nachlesen. Es handelt sich ganz offensichtlich um Meme, die es geschafft haben, oft verbreitet zu werden, obwohl sie nicht den geringsten Wahrheitsgehalt besitzen. Sie konnten sich nur deshalb von Gehirn zu Gehirn fortpflanzen, weil sie »interessant« sind. Andere unwahre, aber nichtsdestotrotz erfolgreiche Meme sind »Spinat ist gesund, weil er viel Eisen enthält« oder »Die Mondlandungen fanden nie statt, sondern wurden in einem Studio in Hollywood gedreht«. Irgendwie schaffen es diese Meme, uns dazu zu bringen, dass wir sie weitergeben. Sie sind quasi »nicht totzukriegen«.
    Bemerkenswert daran ist, dass diese Meme einerseits nicht der objektiven Wahrheit entsprechen und damit potenziell Schaden anrichten können - beispielsweise durch falsche Ernährung aufgrund des Irrglaubens, Spinat enthalte viel Eisen. Andererseits bieten sie dem Überträger aber auch einen gewissen Nutzen, indem sie ihn seinerseits »interessant« machen. In die gleiche Kategorie fallen wahre, aber weitgehend nutzlose Fakten, die sich in Bestsellern wie »Schotts Sammelsurium« finden.
    Da Meme nur »überleben« können, wenn wir sie weitergeben, müssen sie uns im Unterschied zu Viren einen zumindest subjektiv empfundenen Nutzen bieten. Sie brauchen eine Eigenschaft, die man das »Aktivierungspotenzial« des Mems nennen könnte. Je höher das Aktivierungspotenzial ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mem weitergegeben wird.
    Dawkins benennt für erfolgreiche Replikatoren drei Eigenschaften: Fruchtbarkeit, Langlebigkeit und Wiedergabetreue. Im mathematischen Sinne bedeutet Fruchtbarkeit nichts anderes als eine hohe Reproduktionsrate. Langlebigkeit hängt von der Selektionswahrscheinlichkeit ab - je höher diese ist, desto erfolgreicher ist logischerweise der Replikator. Aber was ist mit der Wiedergabetreue? Warum ist eine hohe Wiedergabetreue wichtig? Offensichtlich ist die Wiedergabetreue der Kehrwert der Mutationsrate. Aber ist nicht gerade eine hohe Mutationsrate für die Evolution gut?
    Für die Evolution möglicherweise ja, für den Replikator jedoch nicht. Denn bei einer hohen Mutationsrate wird das Original sehr schnell von einer Masse veränderter Kopien verdrängt, die kaum noch etwas mit ihrem ursprünglichen »Vorbild« zu tun haben. Daraus folgt: Ein »stabiler« Re-plikator mit einer niedrigen Mutationsrate wird sich relativ lange halten, vorausgesetzt, die Selektionskriterien bleiben ebenfalls stabil.
    Wir haben weiter oben gesehen, dass die Anfänge der Evolution relativ langsam verliefen, weil die Möglichkeiten der Mutation bei Einzellern ziemlich eingeschränkt sind. Die Folge davon ist, dass es heute immer noch sehr viele Einzeller gibt, die sich kaum von ihren Milliarden Jahre alten Urahnen unterscheiden. Ihre Replikatoren - die Gene
    - sind offenbar sehr stabil und damit im Dawkinsschen Sinn erfolgreich.
    Ob eine hohe Mutationsrate die Evolution eher beschleunigt oder sie behindert, hängt von den Umständen ab. Denn letztlich bedeutet stärkere Mutation eine Zunahme der Zufallseinflüsse. Stellen wir uns zum Beispiel einen Urahnen des Hasen vor, der noch keine großen Ohren hatte. Nehmen wir an, die Mutationsrate in Bezug auf die Länge der Ohren ist sehr gering - dann wird es sehr lange dauern, bis sich durch Mutation und Selektion Tiere mit großen Ohren entwickeln. Bei einer mittleren Mutationsrate beschleunigt sich der Entwicklungsprozess. Wird die zufällige Mutationsrate jedoch sehr groß, kann es passieren, dass »positive« Mutationen in Richtung längerer Ohren schon in der folgenden Generation durch zufällige Mutation wieder »zerstört« werden, so dass es ebenfalls sehr lange dauert, bis sich lange Ohren in der Population durchsetzen.
    Die Mutation wirkt aber natürlich nicht
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