Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt
(ähnlich dem Mittelalter) mit geringer Innovationsrate zuzusteuern.
Man kann gegen seine Analysen einiges ins Feld führen. So weist beispielsweise John Smart, einer der Verfechter der Beschleunigungsthese, auf aktuelle Daten hin, die eine in den letzten Jahren wieder steigende Anzahl der Patente pro US-Bürger zeigen. Damit wird Huebners Argumentation zumindest sehr zweifelhaft. Außerdem ist fraglich, ob die Zahl der Patente tatsächlich ein guter Indikator für die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts ist.
Interessanter ist es aber, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, warum es überhaupt zu einer Verlangsamung des technischen Fortschritts kommen könnte. Huebner argumentiert, es gebe natürliche Grenzen. Er sieht eine physikalische und eine ökonomische Grenze, ohne diese allerdings genauer zu definieren, und vermutet, dass wir bereits etwa 80 Prozent des ökonomisch maximalen technischen Fortschritts erreicht haben. Wenn dies so wäre, müssten wir in der Tat eine Verlangsamung in den nächsten Jahrzehnten erwarten, bis der technische Fortschritt bei Erreichen der Grenze zu völligem Stillstand kommt.
Eine ökonomische Grenze der technischen Entwicklung würde bedeuten, dass wir einen Punkt erreichen, an dem der Aufwand zur Erlangung zusätzlicher Erkenntnis so groß wird, dass wir ihn nicht mehr treiben können oder wollen. Man kann das am Beispiel der bemannten Raumfahrt illustrieren: Es war eine enorme Herausforderung, Menschen auf dem Mond landen zu lassen. Doch eine bemannte Mission zum Mars wäre noch einmal um ein Vielfaches komplizierter und teurer, weshalb sie in naher Zukunft nicht zu erwarten ist. Eine bemannte Reise zu den Gasriesen unseres Sonnensystems, wie sie in Kubricks Film geschieht, liegt zurzeit weit außerhalb unserer technischen Möglichkeiten, weil das System Mensch nicht beliebig belastbar ist - von Reisen über die Grenzen unseres Sonnensystems hinaus ganz zu schweigen. Offensichtlich gibt es hier Barrieren, die mit der Entfernung von unserem Heimatplaneten exponentiell anzuwachsen scheinen.
Doch die Raumfahrt zeigt auch, wie solche Grenzen überwunden werden können. Es ist nämlich überhaupt nicht nötig, Menschen in die Raumschiffe zu setzen, die wir zu fernen Planeten schicken. Die Möglichkeiten der Robotik entwickeln sich viel rasanter als unsere Fähigkeit, Menschen unter den extremen Bedingungen des Weltraums über weite Strecken sicher zu transportieren. In einigen Jahren wird es vermutlich serienreife Autos geben, die in der Lage sind, sich ohne Fahrer sicher durch den Verkehr einer Großstadt zu bewegen (ob sie jemand kaufen und damit die Kontrolle über sein Fahrzeug aus der Hand geben wird, ist eine andere Frage). Dagegen ist die Navigation auf der Oberfläche eines unbewohnten Planeten ein Kinderspiel. Mit anderen Worten: Maschinen brauchen unsere Hilfe bei der Erforschung des Universums immer weniger. Es wäre ökonomischer Unsinn, diesen Vorteil nicht zu nutzen. Lediglich politische und kulturelle Überlegungen sprechen für eine bemannte Marsmission, aber es ist zweifelhaft, ob diese Argumente die enormen Mehrkosten und hohen Risiken in absehbarer Zeit rechtfertigen werden.
Allgemein gesprochen, entwickelt sich der technische Fortschritt auf einem bestimmten Gebiet in der Regel in einer sogenannten logistischen Funktion, die die Form einer S-Kurve hat. Zu Beginn ist relativ viel Forschungsaufwand zu treiben, bis erste zaghafte Erfolge erreicht werden. Beispielsweise musste Edison sehr viel und sehr lange experimentieren, bis er eine Glühbirne zustande brachte, die nicht innerhalb weniger Minuten durchbrannte. Dann folgt eine Phase des raschen Anstiegs - die Glühbirnen zum Beispiel werden langlebiger und erzeugen mehr Licht pro eingesetzte Energie. Doch irgendwann kommt die Technik an ihre Grenzen, der Anstieg flacht ab, bis er ein Maximum erreicht. Die Lichtausbeute von Glühbirnen pro verbrauchtes Watt Strom lässt sich auch mit allen technischen Tricks nur bis zu einem bestimmten Punkt treiben. Das Maximum wird in der Regel nie ganz erreicht, aber der Fortschritt verlangsamt sich deutlich.
Diese S-Kurve ist ein weitverbreitetes Phänomen, das auf praktisch alle Technologien zutrifft und in der Praxis gut belegt ist. Sie bedeutet jedoch nicht das Ende der technologischen Entwicklung an sich. Denn eine neue Technologie folgt auch einer neuen S-Kurve. Durch einen Wechsel des technischen Prinzips lassen sich die Grenzen der bisherigen Technik
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