Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt
überwinden. Im Beispiel der Glühbirne wird die Energieeffizienz durch den Einsatz von Leuchtstofflampen oder Leuchtdioden auf ein neues Niveau gehoben. Im Fall der Raumfahrt lässt sich durch Umstellung auf unbemannte, autonome Fahrzeuge die Entfernungsbarriere überwinden.
Die exponentielle Entwicklung der Computerleistung zeigt besonders schön eine solche Kette von S-Kurven. Die ersten Computer arbeiteten mit elektromechanischen Relais, die relativ träge waren. Eine deutliche Beschleunigung konnte erst durch einen Umstieg auf elektrische Röhren als Schaltelemente erreicht werden. Diese jedoch entwickeln eine so große Hitze, dass sie rasch eine Leistungsgrenze erreichten, die erst durch Einführung des Transistors als Schaltelement überwunden wurde. Auf den Transistor folgte die integrierte Schaltung, dann der Mikroprozessor und schließlich die Parallelprozessortechnik.
Es ist klar erkennbar, dass unsere heutige, siliziumbasierte Chiptechnologie irgendwann in den nächsten Jahren an ihre physikalischen Grenzen stoßen wird. Aber das bedeutet nicht das Ende der Steigerung der Rechenleistung, denn neue Techniken, die noch ganz am Anfang ihrer S-Kurven sind, wie etwa optische Chips, analoge Rechner oder Quantencomputer, werden bereits in den Labors entwickelt. Entsprechend ergibt sich eine Kette von S-Kurven, die insgesamt den seit hundert Jahren beobachteten exponentiellen Trend ermöglicht hat und zumindest noch eine Weile in die Zukunft fortgeschrieben werden kann.
Eine allgemeine ökonomische Grenze des technischen Fortschritts scheint vorerst nicht in Sicht. Im Gegenteil: Durch die Automatisierung der Erkenntnisgewinnung werden neue S-Kurven immer leichter erreicht, wie man an den immer kürzeren Zeiträumen bei der Einführung neuer Technologien in der Computerentwicklung sehen kann.
Das Gesetz des steigenden Ertragszuwachses scheint sich hier erneut zu bestätigen.
Doch es sind noch andere Grenzen denkbar. Seit 1990 haben wir alle zwei bis drei Jahre eine Innovation erlebt, die unser tägliches Leben veränderte: Handy, E-Mail, eBay, MP3-Player, Google, Digitalkamera, Flachbildfernseher, Youtube und so weiter. Stellen wir uns nun eine Welt vor, in der solche Innovationen nicht alle paar Jahre erfolgen, sondern jeden Tag. Folgt man Kurzweils These, ist eine solche Welt gar nicht so weit entfernt. Wir wären dann ganz einfach überwältigt von dieser Geschwindigkeit der Entwicklung, wir wären unfähig, sie sinnvoll zu nutzen. Der Engpass wäre nicht die Technik an sich, sondern die Fähigkeit des Menschen, Neues zu verarbeiten.
Vieles spricht dafür, dass solche Grenzen existieren und auch die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts bremsen. Bei der Einführung des Computers in den Büros gab es erhebliche Widerstände, da viele Menschen Schwierigkeiten hatten, mit der neuen Technik umzugehen. Ein hoher Lernaufwand war nötig. Ähnliche Widerstände stehen der Markteinführung beispielsweise einer neuen Softwaregeneration entgegen: Mag sie auch noch so viele neue Funktionen bieten und noch so schick aussehen - die meisten Anwender haben schlicht keine Lust, schon wieder etwas Neues zu lernen, wenn doch das Alte gut genug funktioniert. Tatsächlich kann es sein, dass wir uns bereits der Grenze der menschlichen Lernfähigkeit so weit angenähert haben, dass neue Technologien kaum noch schneller eingeführt werden können, als dies bereits geschieht.
Ähnliches gilt für die Verarbeitung neuer Erkenntnisse. Die Informationen über die Welt, die Forschungsergebnisse mögen exponentiell wachsen, die Verarbeitung dieser Erkenntnisse jedoch ist an die Kapazität menschlicher Gehirne gebunden, an die oft langwierige wissenschaftliche Diskussion, an die Fähigkeit anderer, die Erkenntnisse nachzuvollziehen und zu überprüfen. All dies bildet eine natürliche Grenze der Menge bahnbrechender Ideen, die Menschen in einer bestimmten Zeit entwickeln und verarbeiten können. Wie es John Naisbitt in seinem berühmten Satz formulierte: »Wir ertrinken in Information, doch wir hungern nach Wissen.«
Doch auch diese Grenze des technischen Fortschritts lässt sich überwinden. Dazu müssen wir lediglich die Perspektive ein wenig verändern und den Fortschritt nicht mehr aus der Sicht der Menschen betrachten, sondern aus dem Blickwinkel der memetischen Evolution.
Neue Meme entstehen durch Mutation von bestehenden. Sie werden selektiert und reproduziert und führen zu neuen Mutationen. Dieser Prozess findet
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