Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt
man an der Frage der Existenz Gottes nicht vorbei. Obwohl dies im strengen Sinn keine wissenschaftliche Frage ist, denn sie ist nicht »falsifizierbar« (man kann also nicht beweisen, dass es keinen Gott gibt), wird sie einem quasi aufgedrängt. Es gibt immer noch sehr viele Menschen, die die Tatsache der Evolution aus religiösen Gründen ablehnen. Ihre Zahl nimmt in den USA sogar zu.
So versuchen etwa einige sogenannte »Kreationisten« zu beweisen, dass die Erde nicht Jahrmillionen alt ist, sondern nur wenige tausend Jahre - nur deshalb, weil es angeblich so in der Bibel steht. Dabei ist doch offensichtlich, dass die Menschen, die die Bibel geschrieben haben, nicht über unsere Kenntnisse der Geologie verfügten und sich Zeit-räume von Millionen Jahren gar nicht vorstellen konnten.
Zum Glück sind die meisten Religionsvertreter nicht so verblendet. Papst Benedikt XVI. hat beispielsweise klargestellt, dass man die Evolution als Tatsache anerkennen müsse. Allerdings schließt die Evolutionstheorie nach seiner Meinung die Existenz eines Schöpfers keineswegs aus.
In diesem Punkt hat er grundsätzlich recht. Wie Richard Dawkins zuletzt in seinem Buch »Der Gotteswahn« und früheren Werken sehr überzeugend darlegt, ist die Existenz Gottes nicht nötig, um die Vielfalt des Lebens auf der Erde zu erklären. Allerdings kann, wie Dawkins selbst konstatiert, auch die Evolutionstheorie nicht alles erklären - der Ursprung »von allem« wird für uns immer ein Rätsel bleiben. Die Idee eines Gottes löst dieses Rätsel allerdings auch nicht, denn dann bleibt immer noch die Frage, warum es einen Gott gibt.
Unabhängig davon, ob man an Gott glaubt oder nicht, lässt sich kaum bestreiten, dass unser Bild von Gott der Evolution unterliegt. Die Bibel beispielsweise ist im Grunde nicht »ein Buch«, sondern eine Sammlung von Texten, die zu unterschiedlichen Zeiten von unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Absichten geschrieben wurden. Das Alte Testament mit seinem eifersüchtigen und jähzornigen Gott Jahwe war in gewisser Hinsicht nicht nur ein religiöses, sondern auch ein juristisches Werk. Als es geschrieben wurde, konnte man diese beiden Gebiete nicht voneinander trennen. Vieles, was uns heute als drakonisch und menschenverachtend erscheint, entspringt dem Versuch, das Zusammenleben der Menschen vor 3000 Jahren mit harschen, aber notwendigen Gesetzen zu regeln.
Ganz anders das Neue Testament, das einen wesentlich liebevolleren und in vieler Hinsicht auch liberaleren Gott darstellt. Theologen, die die Bibel wörtlich nehmen, dürften ihre liebe Not haben, den Widerspruch zwischen diesen beiden Gottesbildern zu erklären. Aber warum sollte man die Bibel auch wörtlich nehmen? Es ist doch offensichtlich, dass sie so oft übersetzt, kopiert und »korrigiert« wurde, dass die heute im Buchladen erhältliche Bibel in vielem von den Originaltexten abweicht. Letztere kann man zudem - wie jeden Text - eigentlich nur vor dem Kontext der Zeit, in der sie entstanden, verstehen. Für uns ist es zum Teil kaum noch nachvollziehbar, was aus Sicht der Autoren als historische Darstellung und was als symbolische Fabel gemeint war.
Ohne jeden Zweifel sind die Bibeltexte reproduziert und dabei auch mutiert worden - bis hin zu haarsträubenden Varianten wie der »Volxbibel«, die etwas gekünstelt versucht, das Neue Testament in die Umgangssprache der Jugend des Jahres 2006 zu übersetzen.
Die Variante, die am besten ins jeweilige Weltbild passte, wurde selektiert. Dies zeigt sich zum Beispiel an der unterschiedlichen Auslegung der Heiligen Schrift durch verschiedene Sekten und die beiden christlichen Hauptkirchen Europas, um die verheerende Kriege geführt wurden. Also muss auch die christliche Religion, die ohne Zweifel ebenfalls ein Mem ist, der universellen Kraft der Evolution unterliegen. Gleiches gilt für alle anderen Religionen.
Viele religiöse Menschen werden diese Behauptung entschieden zurückweisen, sind sie doch fest davon überzeugt, dass ihre jeweilige Auslegung der Bibel, des Korans oder anderer Heiliger Schriften die einzig richtige ist und schon immer war. Dieser Absolutheitsanspruch, der so typisch für die Religion, aber auch beispielsweise für politische Überzeugungen ist, resultiert ebenfalls aus memeti-scher Evolution.
Wir haben bereits gesehen, dass ein dauerhaft erfolgreiches Mem »stabil«, das heißt resistent gegen Mutationen sein muss. Anderenfalls würde es ja rasch durch seine mutierten
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