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Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Castle
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Bäckereihilfskraft ungefähr so aussah, wie ich mich fühlte: wie Rapunzel im Turm, wenn der Prinz davonreitet, weil er anderweitige Verpflichtungen hat. Wenigstens war ich nicht allein.
    Offen gestanden spazierte ich leicht benommen zurück nach Hause. Ich kämpfte mit einigen schwerwiegenden Überlegungen. Tom und ich waren erst seit einpaar Jahren verheiratet. Wir hatten zwei bezaubernde Kinder. War es wirklich normal oder gesund, dass ich so für einen völlig Fremden schwärmte? Denn genau das tat ich doch. Es handelte sich um typisch pubertäres Verknallt sein, und ich schien nichts da gegen unternehmen zu können. Als wir uns dem Haus näherten, stürmte Tom gerade mit wehendem Regenmantel und säuerlicher Miene den Weg zum Gartentor herunter. »Muss los, viel zu tun heute, warte nicht auf mich«, rief er mir über die Schulter hinweg zu, während er an uns vorbei eilte. Das war in letzter Zeit ein vertrauter Abschied geworden. Kein Wunder, dass ich heimliche Sehnsüchte nach einem gutgekleideten Fremden hegte.
    Aber ach, armer Tom. Trotz alledem tat er mir irgendwie leid. Während es mir ziemlich leichtgefallen war, mich hier einzuleben, die Stadt zu erkunden und mir ein neu es Netzwerk an Freunden aufzubauen, schien es für ihn wesentlich mühsamer zu sein, wenn man sich die vielen Stunden vor Augen hielt, die er bei der Arbeit verbrachte. Unser aller Zukunft hing nun von seinem Job ab – das war eine riesige Verantwortung. Selbst wenn mein Schokoladenplan aufgehen sollte, würde ich da mit gewiss nie dickes Geld verdienen. Mein Beruf war ein Hobby – seiner war ernst.
    Ja, aber , wandte ein Teil von mir ein. Vergiss das Jahrzehnt Altersunterschied nicht. Tom war einer der letzten seiner Generation, die sich immer noch nicht so ganz daran gewöhnt hatten, Frauen als gleichgestellt zu betrachten. Zwar hatte er nie et was in dieser Richtung verlauten lassen, doch hatte ich Alters genossen durchaus schon äußern hören, dass eine Frau nicht in die Nähe des männlichen Arbeitsplatzes gehörte. Also konnte ersich doch freuen, dass ich zu Hause blieb und mich um seine Kinder kümmerte.
    Wenn man das Problem ein wenig hin und her wendete, dann bedeuteten diese zehn Jahre Altersunterschied aber wohl auch, dass Tom in seinen Gewohnheiten viel festgefahrener war als ich. Also würde es ihm auch schwerer fallen, sich an unser neues Leben zu gewöhnen – selbst wenn er sich insgeheim immer ein Hausfrauchen gewünscht haben sollte.
    Insgesamt war es wohl nicht verwunderlich, dass wir momentan eine schwierige Phase durchmachten. Angefangen bei meiner Kündigung über unseren Umzug bis hin zu Toms neuem Job hatten wir eine ganze Wagenladung voller Umbrüche durchzustehen gehabt. Ich seufzte und nahm mir vor, in Zukunft netter zu ihm zu sein, auch wenn ich den Rest des Vormittags damit verbrachte, mein Outfit für den ersten Tag im neuen Job zu planen, der ihm so gar nicht in den Kram passte.
    Aber ich konnte doch nicht wirklich zulassen, dass er mich davon abhielt, oder? Das wäre keine gute Idee. Wenn er mal gründlich darüber nachdachte, würde er doch einsehen, dass es nichts brachte, mich von etwas abbringen zu wollen, das so offensichtlich das Richtige für mich war. Das war, als würde man versuchen, einen Korken in die Öffnung eines Vulkans zu stecken, der kurz vor dem Ausbruch stand. Ziemlich bescheuert. Nein, das wollte er bestimmt nicht, da war ich mir sicher. Also blieb mir nichts anderes übrig, als Toms Missbilligung in den hintersten Winkel meines Bewusstseins zu verbannen.
    Alsdas erledigt war, schob ich beschwingten Schrittes und bestens gelaunt den Kinderwagen den inzwischen vertrauten Weg zu Claras Laden entlang. Ich trug einen weiten Zigeunerrock, den die Kinder klasse fanden, denn aus ihrer Sicht handelte es sich dabei um ein bewegliches Wigwam. Im Vorbeigehen bemerkte ich, dass sich die harten grünen Knospen in den Blumenkästen an den Fenstern langsam rosa färbten und im kleinen Park mehr Kinderwagen und Hunde unterwegs waren. Clara hatte zu Feier des nahenden Frühlings ihre Schaufensterdeko erneuert: Dort gab es nun etwas verfrühte Schokoladenostereier und kleine Hühner zu bewundern, die schüchtern zwischen den wild aufgetürmten Pralinen herumzupicken schienen. Die Türglocke bimmelte, als ich den Buggy hineinschob, um ihn dann zusammenzufalten und so unauffällig wie möglich zu verstauen. Anschließend holte ich aus einer großen Tasche eine Decke und ein Minimum an Spielsachen.

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