Schokoherz
für Babys, eine für große Jungs, außerdem eine Bank für Mummy. Was konnten wir drei uns mehr wünschen? Ich platzierte Maddie im extra von mir mitgebrachten Kindersitz, während ihr Bruder ganz stolz ohne Hilfe auf seine Schaukel kletterte. Ich schubste beide an und ließ mich dann auf die Bank sinken. Wie immer tat die frische Luft ihr Werk und ließ kummervolle Gedanken verblassen, während das Blut in meinen Adern sang und meine Wangen prickelnd zum Leben erwachten. Der Frühling war nun wirklich auf dem Vormarsch, wie man am Hellgrün der winzigen neuen Blättchen an den Büschen und den hoffnungsvollen Schösslingen erkennen konnte, die mein ungeübtes Auge als Osterglocken einstufte. Ich sah mich um und war wieder glücklich. Vielleicht litt ich ja nur ein wenig unter Nervosität, weil ich heute Abend Toms neue Kollegen kennenlernen würde. Das wäre zwar das erste Mal, aber man konnte nie wissen. Bestimmt war das der Grund. Sonst hätte das Problem darin bestanden, dass ich mich tagsüber mit Tom in einem Haus befunden hatte, und das war ein weitaus beängstigenderer Gedanke.
Zum Glück konnte ich nicht lange darüber nachgrübeln, denn plötzlich setzte sich jemand neben mich. Geistesabwesend warf ich einen Blick hinüber und traute meinen Augen kaum. Er war es! Der Geschäftsmann. O mein Gott. Ogottogottogott. Ich riss meinen Blick los, fuhr mir schnell durch die Haare, befeuchtete meine Lippen und dachte dann: »Du bist fünfunddreißig und verheiratet, also hör auf mit dem Käse und reiß dich zusammen, Mädchen!«Ich wandte mich ihm wieder zu, und ein Lächeln, so heiß, dass man darin auf zwanzig Schritt Entfernung Speck brutzeln konnte, tauchte aus dem Nirgendwo auf und legte sich auf meine Lippen. Als unsere Blicke sich begegneten, sah ich, dass er auf dieselbe brandheiße, sexy Art lächelte. Er bedachte mich mit einem Schwall französischer Worte. Himmel, klang das gut, doch leider verstand ich kaum, wovon er sprach. Ich hatte alle Energie in mein Lächeln gelegt. Es waren gerade keine Gehirnzellen übrig, um mein Schulfranzösisch zu aktivieren. Seine Worte umspülten sanft meine Ohren, doch ich fand keinen Ansatzpunkt. Sein Akzent war zu honigsüß, als dass ich mich statt auf den lieblichen Klang auf die Bedeutung hätte konzentrieren können. Mein Blick wanderte immer wieder zu seinen Tigeraugen und seinem lächelnden Mund. Er hörte auf zu sprechen und hob am Schluss des letzten Satzes die Stimme – eindeutig eine Frage, aber worum zum Henker ging es? Ich schüttelte den Kopf, um die Sache zu klären.
»Verzeihung?«, sagte ich in vornehmstem Englisch – und bereute es sofort. Ich wollte nicht als eine dieser Engländerinnen rüberkommen, die Fremdsprachen im Bestfall strangulierten und im schlimmsten Fall alle anderen zwangen, die eigene Sprache zu sprechen. Ich wollte ihn mit meinem weltoffenen Charme und meinen mühelosen Französischkenntnissen betören. Nun, dazu war es jetzt wohl zu spät. Aber alles wandelte sich. zum Guten. Als Nächstes packte er nämlich ein perfektes Englisch mit unwiderstehlichem französischem Akzent aus. Ohhhhhh, hinreißend.
»Also lernen wir uns kennen. Und Sie haben Ihre Croissants schon gehabt?«
Daswar nun kaum der Welt brillantester Spruch. Aber trotzdem punktete er bei mir dadurch, dass er überhaupt eine Art Gesprächseröffnung anbot. Entsetzt merkte ich jedoch, wie mir schon wieder die Röte den Hals hinauf ins Gesicht kroch. Mit dieser eintönigen Regelmäßigkeit war ich seit dem zarten Alter von vierzehn nicht mehr rot geworden. Wie unangenehm. Ich tat mein Möglichstes, es zu ignorieren.
»Ja, wir hatten unsere Croissants schon. Tolle Bäckerei, nicht wahr?« Mein Gott, ich konnte nicht fassen, dass ich gerade etwas so hirnverbrannt Triviales von mir gegeben hatte. Doch zum Glück schien es ihn ähnlich zu begeistern, als hätte ich unsere Croissants eben mit Prousts Madeleines verglichen.
»Wissen Sie, das ist eine der besten in Brüssel. Ich wohne nun schon seit vielen Jahren in diesem Viertel und habe alle Bäckereien ausprobiert – diese ist die beste. Wie haben Sie sie gefunden?«
»Oh, es war einfach die erste, an der ich vorbeikam«, antwortete ich überrascht und erfreut über sein Interesse. War es möglich, dass er Essen genauso ernst nahm wie ich?«
»Nein, das kann ich nicht glauben. Sie sind eine anspruchsvolle Dame, ja?«
Nun, dem würde ich sicher nicht widersprechen. Vor allem wenn jemand so Unwiderstehliches es
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