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Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Castle
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glänzende Schokolade. Ich liebte diesen Raum. Die Atmosphäre zielgerichteter Ernsthaftigkeit erinnerte mich an eine Kirche, und ich war definitiv bereit, Claras Pralinen anzubeten.
    Ich streute für die nächste Runde Trüffel-Kokosraspeln auf Bleche und sah zu, wie Clara jeweils einen Klecks glänzender Milchschokolade herausschöpfte und geschickt in den Formen verteilte, wobei sie den Überschuss abkratzte und wegklopfte. Diese Formen durften dann sauber aufgereiht auf dem Vibriertisch aushärten. Durch das sanfte Schütteln wurden mögliche Luftbläschen gelöst, und die Schokolade verteilte sich gleichmäßig in den Vertiefungen. In der Zwischenzeit rührte Clara in einer riesigen Metallschüssel ihre dunkle, intensiv duftende Ganache-Creme an – Bitterschokolade, die zusammen mit Sahne geschmolzen wurde. Sobald die Schokoschalen fest waren, füllte sie die Creme hinein und bedeckte die köstliche Kreation mit einer weiteren. Schicht Kuvertüre. Der gesamte Ablauf funktionierte so reibungslos wie ein einstudiertes Ballett. In meinen Augen war die Verwandlung von zehn Kilo schweren Säcken mit Schokorohmasse in Füllung für kunstvolle Pralinenschachteln fast so etwas wie Alchemie, wenn auch die Verwandlung von Metall in Gold lang nicht so aufregend war wie die von Bohnen in Glückseligkeit.
    Zugegeben,an den komplizierten Schritten durfte ich mich noch nicht beteiligen, aber trotzdem hatte ich schon enorme Fortschritte gemacht. Clara überließ mir viele Routinearbeiten, wenn man im Zusammenhang mit Schokolade von Routine sprechen darf. Meine Fortschritte führte ich darauf zurück, dass ich Claras Predigten stets bereitwillig lauschte und zudem dieses therapeutische Tagebuch angefangen hatte. Wenn es im Laden mal einen ruhigen Moment gab, sah Clara mich gerne Gedanken in mein Notizbuch kritzeln.
    Aber halt! Etwas so Wichtiges wie mein Tagebuch sollte ich nicht bloß in einem Nebensatz erwähnen.
    Die Sache ist nämlich die: So langsam verstand ich, was Clara gemeint hatte. Anfangs hatte ich ihre kleine Rede, dass ich erst mit mir ins Reine kommen müsse, bevor ich edle Pralinen herstellen könne, lediglich als Hinhaltetaktik gesehen. Ich sollte nicht hinter ihre Geheimnisse kommen. Kurz, ich dachte, Clara sei ein bisschen verrückt. Und um ehrlich zu sein, lag ich damit auch nicht ganz falsch.
    Im Laufe der letzten Wochen jedoch, während ich herumflitzte und die Massen bediente, die Clara aus ihrem Hinterzimmer heraus anknurrte, lernte ich sie immer mehr zu schätzen. Sie besaß die seltsame Begabung, unbequeme Fragen zu stellen und damit die wunden Punkte zu treffen. Deshalb gelang es ihr ja auch so ausgezeichnet, ihre eigenen Kunden zu vertreiben. Sie schien die Leute besser zu verstehen, als ihnen lieb war. Und so durchschaute sie etwas, das ich seit einiger Zeit nicht mehr so recht verstand: mich selbst.
    Clara hatte eine Schwäche von mir erkannt, nämlich dieNeigung, sofort loszurennen und zu handeln, ohne darüber nachzudenken. Weiß Gott, niemand würde mir unterstellen wollen, dass ich Probleme unterdrückte. Nein. Ich war stets so in Eile, dass mir das Talent zur Innenschau völlig fehlte. Ich kümmerte mich nie darum, weshalb ich Dinge tat – ich tat sie einfach, und zwar so schnell wie möglich, ehe ich mich der nächsten Sache zuwandte. Doch selbst in mir machte sich langsam der Verdacht breit, dass ich dabei irgendetwas verpasste.
    Unsere Meinungen gingen in einem Punkt völlig auseinander: Sie betrachtete nämlich meine Tendenz, das Leben im Sauseschritt zu nehmen, als kompletten Blödsinn. Ich dagegen hielt das für effizient. Wenn etwas getan werden musste, dann zögerte ich nicht lange oder schob es vor mir her, sondern machte mich an die Arbeit. Das war doch sicher die beste Taktik? Als wir vor der Ladenöffnung einmal zusammen die Pralinen im Fenster neu arrangierten, unterbreitete ich ihr diese Sichtweise. Wenn ich »arrangieren« sage, meine ich natürlich, dass wir die Pralinen aus großer Höhe auf die Satinpolster fallen ließen – mhm, dieser supersexy Zufallslook faszinierte mich immer wieder.
    Clara warf mir lediglich einen ihrer Blicke zu. »Sie sind die ganze Zeit in Eile. Diese Eile, das ist nicht normal. Es ist wie mit der Schokolade.« Der Schokolade? Was meinte sie bloß damit? Dieses Mal ließ ich's aber darauf sich beruhen. Ich hatte es nämlich, nun ja, natürlich eilig, den Laden aufzumachen und zu bedienen. Doch als ich jetzt Clara von meinem Platz bei den

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