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Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Castle
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gesehen hatte.
    Ich riss die Taxitür auf und ließ mich hineinfallen. Gemma rutschte auf die andere Seite des glänzenden Sitzesund quetschte sich dort ostentativ in die Ecke, um mir genug Platz zu machen. Ich war beleidigt. Seit Maddies Geburt hatte ich vielleicht noch nicht wieder alle Schwangerschaftspfunde verloren, aber so fett war ich nun auch nicht.
    »Was für ein Zufall, dass wir uns dauernd über den Weg laufen«, sagte ich trocken und legte meine Tasche mit den kostbaren Interviewkassetten neben mir ab.
    »Ich dachte, ich schau mal, ob du schon fertig bist. Ich wollte nicht, dass du dein Versprechen brichst und heimlich Schokolade naschst.« Gemma lächelte mit blitzenden Augen.
    Empört schnappte ich nach Luft, aber sie plapperte einfach weiter. »Stell dir vor, ich habe eine supertolle Story ausgegraben. Mum wird mir dafür die Titelseite geben müssen!« Gemma platzte beinahe vor Aufregung und hüpfte auf ihrem Sitz auf und ab.
    »Ach ja? Ich wette, meine ist besser als deine«, erwiderte ich kühl. Sofort schämte ich mich vor mir selbst. Ich war Gemma in jeder Hinsicht überlegen, also musste ich mich nicht auf ihre kindischen Spielchen einlassen. Aber leider hatte ich genau das gerade getan.
    »Unsinn. Ich wusste, dass du das sagen würdest«, rief Gemma verächtlich. »Diese langweilige alte Politikerin kann dir nichts Interessantes erzählt haben. Pass auf! Streetwise werden sich trennen! Das hat mir ihr Manager gerade im Vertrauen beim Mittagessen erzählt!« Streetwise war die hippste Band Großbritanniens – jedenfalls diese Woche. Klar, dass Gemma das für den Knüller des Jahrhunderts hielt. Ich schüttelte den Kopf. Armes Ding. Sie musste noch viel lernen. Sie tat mir leid. Ich beschloss, Jane Champions Geheimnis noch ein Weilchenfür mich zu behalten, bis ich mich entschieden hatte, was ich damit anfangen würde. Hochmütiges Schweigen würde ihr zeigen, wer erwachsen war und wer nicht. Ich starrte aus dem Fenster, wild entschlossen, nichts mehr zu sagen, bis wir wieder im Büro waren. In Gedanken begann ich, das Jane Champion-Interview auszuformulieren.
    Da sah ich plötzlich aus dem Augenwinkel, wie Gemma etwas absolut Unverzeihliches tat. Sie zog ein Lindt-Täfelchen aus der Tasche, wickelte es sehr, sehr langsam aus und begann daran herumzuknabbern. Ich konnte es einfach nicht glauben! Wahrscheinlich war es eines von denen, die sie mir heute früh geklaut hatte. Ich konnte mir jedenfalls nicht vorstellen, dass Gemma sich Lindt-Schokolade kaufte. Sie war ja noch ein Baby und hielt wahrscheinlich Smarties für das höchste der Gefühle. Geräuschvoll riss sie ein Stück Papier ab und biss herzhaft in die Schokolade. Das war seelische Grausamkeit. Ich musste mich sofort rächen. Ich schluckte und zwang mich zu einem Lächeln. »Gemma, tut mir ja leid, aber jeder weiß, dass sich Streetwise trennen. Das stand schon gestern auf ihrer Homepage. Und der Star brachte es heute auf seiner Titelseite. Komisch, dass du das nicht gesehen hast. Wir haben uns nicht besonders darum gekümmert, weil unsere Leser nicht zur Zielgruppe von Streetwise gehören.« Wie gesagt, Gemma brachte nicht gerade die besten Seiten in mir zum Vorschein.
    »Das glaube ich dir nicht. Das hast du gerade erfunden!«, fauchte sie mich an. Ich zuckte mit den Schultern und blickte aus dem Fenster auf den riesigen Stau am Embankment. Ein Motorradkurier ließ in einerblauen Abgaswolke den Motor aufheulen. Hastig schloss ich das Fenster. Plötzlich schien das Taxi noch enger als zuvor. Wir würden ewig hier eingesperrt sein. Gemma sah zu mir herüber. Meine Weigerung, das Thema überhaupt zu diskutieren, überzeugte sie davon, dass ihre Story wirklich alt war. Sie verkroch sich in ihre Ecke und wirkte sehr jung und deprimiert. Und schon wieder ertappte ich mich dabei, dass sie mir leid-tat. Aber sie hielt das Schweigen nicht lange aus. »Und was ist deine Story?«, flötete sie. »Eine langweilige Politikerin, die ein Gesetz beschließt und noch mehr böse Jungs hinter Gitter bringt? Kein Wunder, dass du dich darüber so freust. Das muss für Leute in deinem Alter eine große Beruhigung sein. Jetzt müsst ihr Omis euch keine Sorgen mehr machen, wenn ihr abends alleine unterwegs seid.« Die Kleine war eine echte Giftspritze, was? Im Anschluss brach sie vor meinen Augen die Reste der Lindt-Schokolade in zwei Hälften, schob sich einen großen Brocken in den Mund und schloss in gespielter Ekstase die Augen. Wenn sie mich so

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