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Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Castle
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was geschmolzen. Die Süßigkeiten der Kinder«, versuchte ich mich zu verteidigen. Dann wischte ich mit einem Taschentuch, das mir der tüchtige Helfer reichte, an der Schokolade herum. Wäre ich alleine gewesen, hätte ich sie ohne Zögern abgeleckt, vor allem in meinem ausgehungerten Zustand. Aber unter diesen Umständen versuchte ich nur, das Schlimmste zu beseitigen. »So geht's bestimmt«, sagte ich munter, stopfte sie in das Gerät und steckte die bespielte Kassette ein.
    »Wenn Sie meinen.« Jane Champion war sich da wohl nicht so sicher. Ich drückte den Aufnahmeknopf, und zu meiner Erleichterung drehte sich die Kassette. Uff. Alles würde gut werden. Wo waren wir gleich noch mal stehengeblieben? »Und wie stehen Sie zum Thema Drogen, Frau Ministerin?« Sie war wie eine Spieluhr. Wenn man an der Schnur zog, ging sie wie von selber los. Aber ich beschloss, dass dies die letzte harmlose Frage sein sollte, bevor wir auf die interessanten Sachen zu sprechen kamen.
    »...und so bin ich sicher, dass wir dank unserer kommunalen Beratungsprojekte, unserer engagierten Zollbeamten und natürlich dank unserer hervorragenden Polizei garantieren können, dass wir echte Fortschritte machen und das Drogenproblem in unserem Land in den Griff bekommen werden«, endete sie schließlich. Ganz genau, dachte ich. Erzähl das mal den Eltern von Amy Winehouse.
    »Das klingt gut. Und jetzt würde ich gerne noch auf meine Eingangsfrage zurückkommen: Wo haben Sie während der Arbeit Ihre Handtasche?«
    Champion verdrehte tatsächlich die Augen. »Ist das Ihr Ernst, Mrs Richardson?«
    Ich nickte. »Meine Leser interessiert so etwas, da bin ich mir ganz sicher.« Im Gegensatz zu dem ganzen Einwanderungs-Blabla. Jane Champion verzog das Gesicht und sah den Lakaien zu ihrer Rechten fragend an. Großer Gott, diese Frau hatte keine Ahnung, wo sich ihre eigene Handtasche befand! Ich war ehrlich geschockt. »In Ihrem Schreibtisch, Frau Ministerin. In der untersten Schublade«, sprang er mit gedämpfter Stimme ein. Ganz wie ich vermutet hatte.
    Dann, mit prickelnder Vorfreude und tiefem Bedauern darüber, dass in meinem Blutkreislauf keine Schokolade zirkulierte, um mir Mut zu machen, kam ich zur Kernfrage: der Hochzeit. »Mrs Champion, bei der Recherche für das heutige Interview fiel mir eine kleine Unregelmäßigkeit auf.« Die Assistenten sahen mich bei dem Wort »Recherche« ein wenig spöttisch an, aber Jane Champion runzelte bereits leicht die Stirn. Ich holte den Stapel Zeitungsausschnitte aus meiner Tasche, dieses Mal zum Glück, ohne erst darin herumwühlen zu müssen.»Sie haben im Mai 1980 geheiratet. Wunderschönes Foto.« Zugegeben, ein wenig geschleimt. »Und Ihr ältester Sohn kam ... im Oktober zur Welt, wenn ich mich nicht irre.«
    »So ist es. Aber ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen.« Jane Champions Stimme verriet ihre Anspannung. Die Assistenten saßen plötzlich so stramm, als hätten sie einen Stock verschluckt, und zählten wahrscheinlich unter dem Tisch mit den Fingern die Monate nach.
    »Mir fiel das eben auf, im Hinblick auf Ihre tiefen religiösen Überzeugungen, Ihre Verurteilung lediger Mütter, Ihre Haltung zum verantwortungsvollen Umgang mit Verhütungsmitteln und zur Bedeutung der Ehe. Als Sie zum Altar schritten, in welchem Monat waren Sie da schwanger?«
    Es war mucksmäuschenstill im Raum. Jane Champion war blass geworden. Sehr blass. Plötzlich wirkte sie trotz Macht und Amtswürden in ihrem schmalen Anzug verloren. Sie sah hilfesuchend nach links und rechts, aber ihre Assistenten waren ausnahmsweise zu fassungslos, um reagieren zu können. Die Gefängniskunst an der Wand schien sie zu verspotten. Dieses Mal saß Jane Champion in der Falle.
    Wir warteten alle atemlos auf ihre Antwort. Zuerst stieß sie nur ein heiseres Hüsteln aus. Dann riss sie sich zusammen. »Ich werde keine Fragen zu meinem Privatleben beantworten«, verkündete sie mit einer Stimme, die so eisig war, dass sie die Titanic zum Sinken gebracht hätte.
    »Ich beharre nur ungern darauf, aber nach den Ansichten, die Sie über die zweifelhafte Moral junger Mütter geäußerthaben, werden die Leser der Daily News –« Champion brachte mich mit einer heftigen Geste zum Schweigen. Sie lehnte sich vor, und nun sah ich zum ersten Mal die echte Jane Champion, ohne Maske. Es war kein schöner Anblick. Verschwunden war die einigermaßen gutaussehende Frau, die mir bis dahin gegenübergesessen hatte. An ihrer Stelle befand sich jetzt jemand,

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