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Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Castle
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provozierte, musste ich einfach auftrumpfen. »Unsere ach so fromme Innenministerin hat gerade gestanden, dass sie bei ihrer Hochzeit im vierten Monat schwanger war. Außerdem hat sie noch gesagt, dass jede andere, die nicht bis zur Hochzeit warten kann, ein Flittchen ist.«
    Fassungslos hörte Gemma auf zu kauen. Sogar sie hatte kapiert, was morgen auf der Titelseite unserer Zeitung stehen würde. Und ich selbst hatte hiermit keine Wahl mehr. Trotz all meiner Vorbehalte war die Story nun draußen und musste geschrieben werden.
    Wiezu erwarten, war Denise total aus dem Häuschen. »Ja, das werden wir ganz groß bringen. Der Herausgeber wird die Seite sofort freischaufeln«, sagte sie, während sie den Gang hinuntersauste, um ihn zu informieren. Innerhalb von fünf Minuten liefen die internen Telefonleitungen heiß, und die Nachrichtenredakteure und Auslandskommentatoren standen Schlange, um sich beim Chef zu beschweren. All ihre tollen Artikel für morgen waren vorn Tisch gefegt worden, um für meinen Knüller Platz zu schaffen. Aus der Entfernung konnte ich erkennen, wie das Layout-Team die Seiten aus dem »Buch« riss, der Vorlage für die Zeitung von morgen. Normalerweise wurde es vormittags zusammengestellt und änderte sich im Lauf des Tages kaum noch. Eine so einschneidende Umgestaltung wie diese machte alle nervös, besonders so kurz vor Redaktionsschluss. Um neunzehn Uhr würde der Druck der Ausgabe beginnen, was bedeutete, dass die Seiten nach achtzehn Uhr nicht mehr verändert werden konnten – kein einziges Komma durfte dann noch entfernt oder hinzugefügt werden. Somit hatten wir noch genau vier Stunden, um Tausende von Wörtern zu schreiben, Zitate und Bilder herauszusuchen, die Seite zu gestalten und die Zeitung fertigzumachen.
    Ich sah die Überschrift bereits auf einigen Computern aufleuchten: »Innenministerin bezeichnet ledige Mütter als Flittchen«. Auf den Gängen blieben die Kollegen in Grüppchen stehen und ein, zwei von ihnen stellten mir Becher mit Kaffee auf den Tisch, um mich anzufeuern.
    Normalerweise genoss ich es, wenn die Redaktion wegen einer großen Story aufgeregt summte. Und es warnatürlich toll, so im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, vor allem als ich Gemmas neidischen Gesichtsausdruck sah. Aber heute hatte ich irgendwie Zweifel, was ganz untypisch für mich war. War es wirklich so wichtig, dass Jane Champion bei ihrer Hochzeit schwanger gewesen war? Immerhin hatte sie ja den Vater ihres Kindes geheiratet.
    Als Denise das nächste Mal wie eine besonders lästige Schmeißfliege vorbeisurrte, um mir über die Schulter zu linsen, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sprach sie darauf an. »Denise, also, ich möchte meine eigene Geschichte nicht miesmachen, aber sind Sie sicher, dass das wirklich eine so große Sache ist? Sie war natürlich schwanger, aber immerhin ist sie seit hundert Jahren verheiratet, das heißt, sie ist keine ledige Mutter ...« Denise, die vor meinem Schreibtisch auf und ab stolziert war und Spuren in den Teppich gepflügt hatte, blieb abrupt stehen. Der Kragen ihrer Nicole-Farhi-Bluse sah aus wie eine elisabethanische Halskrause. Durchdringend starrte sie mich an.
    »Was? Was? Natürlich ist es eine Riesenstory. Immerhin hat sie gesagt, alle ledigen Mütter seien Flittchen. Haben Sie eigentlich eine Ahnung, auf wie viele unserer Leserinnen das zutrifft? Die meisten davon sind echte Schlampen, klar, aber trotzdem kann die Innenministerin das nicht so dahinsagen. Außerdem ist sie religiös und reitet immer auf der Unantastbarkeit der Ehe herum. Und trotzdem war sie bei ihrer Hochzeit bereits schwanger. So was nennt man Heu-che-lei, Bella. Mit verschiedenen Maßstäben messen. Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Haben Sie Ihre Notizen?«
    »Ja.«
    »Siehaben es auf Kassette?«
    »Ja.« Dann fiel mir plötzlich die eingetrocknete Schokolade wieder ein. Vielleicht sollte ich das noch erwähnen. »Das heißt ...«
    Denise beugte sich drohend über mich. »Aufgenommen, ja oder nein?«
    »Äh, ja«, sagte ich und versuchte mich zu auffällig von ihr wegzuzucken. Ich hatte zwar ihren doppelten Umfang, trotzdem war sie furchteinflößend.
    »Also, dann ist ja alles klar. Verschwenden Sie keine Zeit mehr. Schreiben Sie, um Himmels willen! Und, Bella ...«
    »Ja?«, fragte ich vorsichtig.
    »Gut gemacht.« Ihre dürre Hand berührte meine Schulter und tätschelte sie verlegen. Für ihre Verhältnisse war das eine stürmische Umarmung. Ich war wirklich

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