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Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Castle
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Knöpfe, bevor sie es tun konnte.
    Ich riss den Umschlag in meiner Hand auf und zerrte einen ordentlichen Papierstapel heraus. Es war ein Brief vom reizenden Leiter der Rechtsabteilung der Daily News, Julius Wintersnake. Julius hatte jahrelang mit seinem scharfen Juristenauge meine Artikel durchgesehen, mich wegen möglicher Verleumdungsklagen aufgezogen, sich in Bars als äußerst trinkfest erwiesen und immer so getan, als sei er mein bester Freund. jetzt schickte er mir eine Warnung, in der stand, dass ich angezeigt würde, sollte ich noch einen Fuß in das Verlagsgebäude setzen. Meine Ansprüche auf Firmenrente seien eingefroren, mein Sicherheitsausweis deaktiviert und mein Schreibtischinhalt in einem Müllsack auf dem Weg zu mir. Na dann, Prost! Schwer ließ ich mich auf den Fußabstreifer plumpsen.
    Irgendwie hatte ich bis zu diesem Moment nicht kapiert, wie ernst die ganze Angelegenheit war. Man hatte mich gefeuert. Aus, vorbei, ich hatte keinen Job mehr. Bestimmt stritten sich gerade Praktikanten, Hospitanten und Volontäre um meinen zweiten Schreibtisch, der zwischen der hübschen Jackie und dem Kopierer eingekeilt stand. Ich seufzte. Beunruhigenderweise waren einige von ihnen wirklich ziemlich gut. Sie hatten alle uni meinen Job gekämpft. Meinen Job.
    Tja, das konnte mir jetzt egal sein. Denise mochte die Neue in diesem Moment anbrüllen – höchstwahrscheinlich tat sie das auch – mir war das völlig egal, versuchte ich mir einzureden, während ich für die Kinder Mittagessen kochte. Dem Himmel sei Dank für Nudeln, dachteich und kippte eine halbe Tüte, nein, eine ganze Tüte davon in einen großen Topf mit kochendem Salzwasser. Ich schnitt Brokkoli dazu – ich weiß, dass das ungewöhnlich ist, aber meiner Theorie zufolge gelangen auf diese Weise all die wunderbaren Vitamine aus dem Gemüse direkt in die Nudeln. Und man muss nicht zwei Töpfe abspülen.
    Dann kippte ich großzügig das beste Pesto, das es zu kaufen gibt, darüber und verfeinerte das Ganze noch mit einer Handvoll zerrupftem Basilikum. Außerdem hatte ich einige Pinienkerne im Mörser zerstoßen und mir dabei aus therapeutischen Gründen Denises Kopf vorgestellt. Die Kinder saßen am Tisch und glucksten erwartungsvoll. Als der Parmesan aus der Reibe wie Schnee auf Ollis Nudelberg rieselte, lächelte er glücklich. Maddies Nudeln zerkleinerte ich ein bisschen, war aber beeindruckt, wie gut sie damit zurechtkam. Ab und zu klemmte sie sich ein paar davon zwischen die Finger, um sich auf diese Weise Krallenhände zuzulegen. Ansonsten mampfte sie wie Mutter und Bruder begeistert drauflos. Es war toll, diese geschenkte Zeit mit ihnen zu verbringen, auch wenn ich sie nicht ganz unbeschwert genießen konnte. Ich fühlte mich wie ein aufgeschlagenes Knie: wund, dunkelrot und wehrlos – und jede Bewegung schmerzte noch. Gleichzeitig vergaß ich immer wieder, dass es ein Problem gab, bis irgendetwas die Wunde wieder aufriss: Die Zeitung von gestern, die harmlos herumlag, erinnerte mich daran, dass ich eigentlich gerade ganz woanders sein sollte, nämlich in einem turbulenten Büro, umgeben vom Geplauder der Kollegen. Meine wundervolle, zerknautschte Tasche lag neben der Eingangstür und wartete auf einen Arbeitstag, dernie mehr kommen würde. Am Kühlschrank hing eine Notiz, dass ich nach der Arbeit Sachen aus der Reinigung abholen musste. Wie würde ich sie jemals zurückbekommen? Ich musste Lou darum bitten, sie zu holen, wenn sie das nächste Mal anrief. Falls sie es schaffte, unter Denises Adleraugen einen heimlichen Anruf zu tätigen.
    Verdammt noch mal, ich konnte nicht einfach dasitzen und warten wie ein welkes Salatblatt. Das war definitiv nicht meine Art. Ich könnte genauso gut die Initiative ergreifen und Lou selbst anrufen. Aber erst nach der Mittagspause. Oder ein bisschen später. Vielleicht auch erst morgen. Irgendwie fühlte ich mich nicht so mutig wie sonst. Ich hatte eine Dummheit begangen, und das hatte mich von den Füßen geholt. Immer wieder spielte ich in Gedanken die entscheidende Szene durch:Wir saßen alle um diesen schrecklichen Teakholztisch im Innenministerium und sahen das schokoverschmierte Band an. Warum hatte ich geblufft? Warum hatte ich so getan, als sei alles in Ordnung mit dieser uralten Kassette, die voller geschmolzener Schokolade war? Warum hatte ich nicht die Assistenten der Innenministerin um eine andere Kassette gebeten? Sie hatten bestimmt massenweise davon in irgendeinem Schrank. Wieso hatte ich

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