Schokoherz
Olli gerade zu Kleinholz verarbeitete, würde mit nur einem Gehalt unsere Möglichkeiten deutlich übersteigen. Das war doch ziemlich ernüchternd.
Da hörte ich das Telefon in der Küche. Ich ließ die Kinder für einen Moment allein, während sich Olli an den Rhododendren austobte. Immerhin hatte Dad ja gesagt, wir sollten die Büsche einmal zurückschneiden. Und Maddie sah aus, als würde sie in ihrem Kinderwagen gleich einschlafen, wo sie gegen die Londoner Kälte warm eingepackt war.
»Hallo?«
Es war Tom, und seine Stimme allein zerstreute einen Großteil meiner Ängste sofort. »Hallo, Bella. Ich wollte nur kurz hören, wie es dir geht. Alles in Ordnung mit den Kindern?«
»Ja, uns geht's gut.« Dann schluckte ich schuldbewusst. »Also, ich habe ein paar Leute angerufen, wegen einer Stelle ...«, fing ich an. Zum Glück wusste Tom genau, was ich meinte.
»Mach dir deswegen keine Sorgen. Wir schaffen das schon. Konzentrier dich einfach auf die Kinder und leg eine Pause ein. Du kannst eine kleine Auszeit gut gebrauchen.« Er war jetzt so lieb – ganz anders als vorhin, als er mich einfach nicht hatte verstehen wollen. Aber er hatte auch den Stapel Rechnungen noch nicht gesehen. Ich bezweifelte, dass er immer noch so heiter wäre, wenner erst einmal erkannt hatte, dass uns bittere Armut drohte.
»Ich wollte dich nur noch etwas fragen«, fuhr Tom fort. »Gab es eigentlich einen bestimmten Grund, warum du dich mit Jane Champion befasst hast?«
»Einen bestimmten Grund? Nein, eigentlich nicht. Sie hat eben eine steile Karriere hingelegt, und außerdem habe ich sie schon mal interviewt, als wir beide uns begegnet sind, weißt du noch? Damals war sie wirklich nett und entgegenkommend.«
»Ja, ja, ich erinnere mich, jetzt, wo du es sagst. Also keine Hintergedanken?«
»Was? Nein! Welche Hintergedanken sollte ich dabei gehabt haben?«
»Ach, es ist nur, weil ich sie kenne ...«
»Aber Tom, du kennst doch alle Mitglieder des Parlaments. Das ist immerhin dein Job«, erwiderte ich.
»Äh, ja, das stimmt. Mich haben nur gerade die Kollegen in die Mangel genommen, weißt du ...« Tom brach ab. O mein Gott! Jetzt fühlte ich mich wirklich schrecklich. Das Letzte, was ich gewollt hatte, war, dass Tom im Büro deswegen zugesetzt wurde. Ich wusste nur zu gut, wie gemein ein Haufen Journalisten sein konnte. Aber, Moment mal. Irgendetwas in meinem Unterbewusstsein zeigte mir eine Möglichkeit, diesen Peinlichkeiten ein für alle Mal zu entkommen. Aber was war es nur?
Ich dachte an den gestrigen Abend, der jetzt so weit zurückzuliegen schien, fast in einem anderen Leben. Vor Jane Champion. Ein goldenes Zeitalter. Wir hatten auf dem Sofa so glücklich miteinander geplaudert und mit einem Fläschchen Champagner gefeiert. Der Gedanke an meine Selbstgefälligkeit von gestern ließ mir die Haarezu Berge stehen. Wenn ich da gewusst hätte, was alles über mich hereinbrechen würde ...
Aber da war noch etwas, das mir aus einer sehr entfernten Ecke des Bewusstseins zuwinkte, etwas, das mit Toms Arbeit zu tun hatte. Was war es nur gewesen? »Was hast du gestern Abend gesagt? Du wolltest irgendwo hingehen? Etwas Neues anfangen?«
»Ach, hör auf, Bella. Das ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, auch noch meinen Job aufzugeben, oder? Ich bin mir sicher, wir schaffen das schon, aber ...«
»Nein, warte mal. Hast du nicht gesagt, dass dir deine Zeitung etwas anderes angeboten hat? Jetzt weiß ich's wieder, eine Stelle als Auslandskorrespondent?«
»Ja, sie haben vorgeschlagen, dass ich ins Ausland gehe. Genauer gesagt nach Brüssel. Aber ich hatte den Eindruck, dass du von der Aussicht nicht besonders begeistert warst. Ich wollte ihnen gerade absagen.«
»Nein, tu das nicht! Immerhin hat sich die Lage seit gestern Abend dramatisch verschlechtert. Vielleicht sollten wir uns das Ganze noch einmal überlegen.«
»Hm, vielleicht sollten wir das. Aber es wäre eine einschneidende Veränderung. Für uns alle, aber besonders für dich.«
»Nein, jedenfalls nicht mehr. Sind wir doch mal ehrlich. Jetzt muss man mich nirgendwo mehr rausreißen.« Für ein paar Sekunden war es still, während Tom nachdachte.
»Wahrscheinlich wäre es eine Lösung, wie wir alle aus dieser Sache rauskommen. Aber ich finde, du solltest dir das ernsthaft überlegen. Wir sollten nichts überstürzen. Lass uns heute Abend noch einmal darüber sprechen. Oh,da kommt gerade der stellvertretende Premierminister vorbei, und ich muss ihn leider
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