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Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Castle
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Orangencreme. In der Schachtel lagen nur noch leere, zerknüllte Papierehen. Eine unterwürfige Entschuldigung von Denise war nicht zu erwarten. Und auch sonst würde keine Art von Kommunikation mehr stattfinden, abgesehen vielleicht von dem Brief mitder Kündigung. Da meine Entlassung immer noch das Thema in den Nachrichten war, konnte ich sicher sein, dass sich auch der Verleger nicht mehr für mich einsetzen würde.
    Nachdem die Sache mit Lorna erledigt war, musste ich als Nächstes meine Eltern anrufen. Ich konnte nicht zulassen, dass sie aus dem Fernsehen oder von einem ihrer »besorgten« (das ist das Rentnerwort für »neugierig«) Nachbarn davon erfuhren. In der malerischen Ecke von Hampshire, in der ich aufgewachsen war, würde diese Nachricht fair Entsetzen sorgen. Meine Eltern waren schrecklich stolz auf mich. Sie schnitten alle meine Artikel aus, und mein Vater klebte sie, jetzt, wo er im Ruhestand war, liebevoll in ein dickes Album ein. Beim Anblick dieses Albums kamen mir immer die Tränen. Es war wie ein Symbol für die Liebe und das Vertrauen, die meine Eltern mir entgegenbrachten. Wie sie sich mit mir über meinen Erfolg freuten! Sie waren solch freundliche, gute, großherzige Menschen, dass es furchtbar für mich war, sie zu enttäuschen. Eine Weile saß ich nur da und versuchte, mich zu sammeln und mir zu überlegen, wie ich ihnen das Debakel am besten erklären konnte. Das Problem war, dass für meine Eltern, wie für die meisten unserer Leser, die Regierung heilig war. Sie hatten völliges Vertrauen sowohl in mich als auch in die Regierung, daher würde unser Gespräch den Glauben an einen von beiden zerstören. Ich sah meine Mutter deutlich vor mir, während ich mit ihr sprach. Sie stand stocksteif in der zugigen Diele, wo das Telefon immer gewesen war und immer sein würde, obwohl ich sie regelmäßig zu überzeugen versuchte, es an einen gemütlicherenOrt zu verlegen. Mein Dad war der Ansicht, dass der Platz des Telefons im eiskalten Flur, wo die ganze Familie mithören konnte, bewirkt hatte, dass die Telefonrechnung auch dann niedrig geblieben war, als geschwätzige Teenager wie mein Bruder Robert und ich im Haus lebten. Mum stand nun bestimmt dort und zupfte unruhig an dem kleinen Deckchen herum, das unter dem Gesteck aus getrockneten Blumen auf dem Telefontischchen lag. In der schmalen Schublade dieses Tischchens lagen ordentlich alle Haus-und Garagenschlüssel. Über dem Tisch hing ein großes, etwas verschwommenes Blumenaquarell, das einer ihrer kreativen Freunde gemalt hatte. Durch die offene Tür sah man wahrscheinlich meinen Vater in seinem Sessel mit der aufrechten Lehne. Er mied das gemütliche Sofa, weil er es für dekadent hielt und außerdem der Ansicht war, es würde seinem Rücken schaden. Gegenüber von seinem Sessel stand ebenso aufrecht der meiner Mutter, obwohl sie zumindest ein paar Kissen hineingeschmuggelt hatte. Nur Besucher wie mein Bruder und ich saßen jemals auf dem Sofa, aus dem man anschließend mit einem Kran herausgewuchtet werden musste. Mein Vater trat wohl gerade seine tägliche Pilgerreise durch die Zeitung an. Dabei fing er immer mit dem Sportteil an und vermied konsequent jeden Artikel aus dem Feuilleton, außer ich hatte ihn geschrieben. Anschließend arbeitete er sich allmählich zur Titelseite vor.
    Ich sah Mums liebes Gesicht vor mir, das beinahe immer lächelte und das sie morgens vor ihrem Vergrößerungsspiegel in fröhlichen Rosa-und Beigetönen geschminkt hatte. Während ich ihr nun erklärte, was passiert war, zerstörten bestimmt zwei parallele Furchen zwischenden Brauen den schönen Anblick. Ich redete einfach immer weiter, während meine Mutter verzweifelt zu begreifen versuchte, was ich ihr erzählte. »Du siehst also, Mum, es ist wie diese Geschichte im Irak. Das Dossier über die fünfundvierzig Minuten. Weißt du noch? Sie lügen alle.«
    »Armer Dr. Kelly. Schreckliche Geschichte. Heutzutage kann man wirklich niemandem mehr trauen. Aber du machst jetzt keine Protestmärsche, hoffe ich. Nein? Braves Mädchen. Und du sagst, das Innenministerium hat jetzt diese Massenvernichtungswaffen?« Meine Mutter kam nicht mehr ganz mit. Außerdem musste sie uni elf Uhr los, um rechtzeitig in ihrem Whist-Club Karten zu spielen. Ich wusste, dass ich ihr die Sache klarmachen musste, ehe ihre Freunde ihr ihre Sicht der Dinge aufdrängten.
    »Nein, nein, Mum. Keine Waffen, aber sie lügen genauso. Sie behaupten, Jane Champion hätte niemals gesagt, was ich

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