Schokoherz
darauf bestanden, das blöde alte Ding zu verwenden? Sie mussten gewusst haben, dass ich damit nichts aufnehmen konnte. Mistkerle.
Doch so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte der Wahrheit nicht länger aus dem Weg gehen. Ich war diejenige, die einen Fehler gemacht hatte. Manchmal war ich einfach zu forsch. Ich trompetete selbstgewiss Dinge hinaus, als wüsste ich alles am besten und als müsste allesgut werden. Ich hatte die Tendenz, mir meinen Weg durchs Leben freizusprengen – natürlich auf möglichst nette Art und Weise. Kaum je gab ich zu, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Dafür würde dieses Mal wirklich jeder, vom Postboten bis zum Premierminister, wissen, dass ich Mist gebaut hatte. Großartig. Wirklich ganz großartig. Ich hasste dieses Gefühl, Bedauern. Deshalb beschloss ich, dass ich es möglichst schnell wieder loswerden musste. Ich stützte mich mit den Handflächen auf dem Sofa ab, drückte entschlossen und hatte es geschafft. Ich hatte wieder Boden unter den Füßen!
Das war schon viel besser. Und nun? Die Kinder hatten gegessen und getrunken und wollten schon wieder spielen. Daher bereitete ich gerade mein Lieblingsspiel »Sardinenbüchse« vor, bei dem ich auf dem Boden liege und sich beide an mich kuscheln, als die Türglocke schellte. Ich sprang auf, versuchte ihr Protestgeschrei zu dämpfen und drückte mein Auge sorgfältig an den Spion. Schon wieder ein Kurier.
Dieser hier brachte mit einem entschuldigenden Lächeln einen großen, unförmigen Müllsack. Laut Wintersnakes Brief wohl mein Schreibtischinhalt. Traurig unterschrieb ich und wollte gerade den Sack entgegennehmen, als er sagte: »Tut mir leid, aber ich brauche Ihr Telefon.«
»Telefon?«, fragte ich verwirrt. Dann erinnerte ich mich, dass in dem Brief gestanden hatte, ich müsse mein Geschäftshandy zurückgeben. Hastig holte ich es aus meiner Tasche und drückte es ihm in die Hand.
»Der Akku ist hin, und das Ladegerät hab ich selber gekauft«,sagte ich bissig. Dann riss ich es ihm noch mal aus der Hand und zog gerade noch rechtzeitig die SIM-Karte heraus. Ich wollte nicht, dass der Zeitung Millionen von ätzenden SMS über Denise in die Hände fielen, die ich im Laufe der Jahre geschrieben und erhalten hatte.
»Tut mir leid, ich mache auch bloß meinen Job«, sagte er und gab mir endlich den blöden Sack. Als ich ihn hereinzerrte, hatten die aufgeregten Fotografen auf der anderen Straßenseite bereits eine Blitzlichtsalve abgeschossen. Na toll, ich wollte wirklich nicht, dass diese erneute Niederlage auf allen Titelseiten zu sehen war. Aber wenigstens hatte ich an Wimperntusche gedacht.
Ich musste gleich versuchen, einen neuen Job zu finden. Weil ich gefeuert worden war, hatte ich keinerlei Anspruch auf eine Abfindung oder Entschädigung, die den Schlag etwas gemildert und mir Zeit gegeben hätte, mich neu zu orientieren. Aber vielleicht war es besser, einfach direkt weiterzumachen.
In wenigen Minuten hatte ich Telefonbuch, Bleistift und Papier bereitgelegt. Die Kinder waren ebenso ausgerüstet. Gemeinsam saßen wir am Küchentisch, der so ganz geschäftsmäßig wirkte. Ich griff zum Telefon und fing an, Freunde bei anderen Zeitungen anzurufen. Nachdem sie jedes Fitzelchen der Jane -Champion-Story aus mir herausgepresst hatten, beendeten sie alle das Gespräch ganz ähnlich: »Tut mir leid, Bella, aber wir beschäftigen im Moment kaum freie Journalisten. Du weißt ja, all diese Praktikanten! Aber du kannst uns gerne ein paar Themenvorschläge und deinen Lebenslauf schicken, dann geben wir sie an die richtigen Leute weiter.« Na, vielen Dank auch, dachte ich. Und mit diesenLeuten war ich um die Häuser gezogen. Konnten sie wirklich sonst nichts für mich tun?
Wie sich herausstellte, war dies tatsächlich der Fall. Als Nächstes versuchte ich es bei anderen Feuilletonredakteuren, die ich kannte. Das erforderte schon deutlich mehr Mut. Sie reagierten alle, als würden sie von einem besonders hartnäckigen Zeugen Jehovas attackiert, obwohl ich doch erst gestern noch eine der angesehensten Lifestyle-Journalistinnen gewesen war. In meiner Verzweiflung rief ich einen weiteren alten Freund an: Alan Jones bei der ersten Zeitung, für die ich jemals gearbeitet hatte. Er war dort wegen eines chronischen Alkoholproblems langsam, aber mit Würde in die unbedeutenden Ränge abgerutscht, obwohl er früher eine gute Schreibe gehabt hatte. Liebenswürdig erklärte er mir die Situation: »Wir alle wissen, dass es nicht allein deine
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